: Repression in China und Tibet
■ Asia Watch: Bericht über Menschenrechtsverletzungen
Berlin (taz) – China setzt seine politischen Gefangenen wie Geiseln ein, so die Menschenrechtsorganisation „Asia Watch“: Immer wenn es der Pekinger Regierung international opportun erscheine und maximale politische Wirkung verspreche, würden einzelne Gefangene freigelassen. Und westliche Regierungen spielten mit: Sie werteten diese Freilassungen als Hinweise darauf, daß sich die Menschenrechtssituation in China verbessere. Tatsächlich aber nehme die politische Unterdrückung im Reich der Mitte zu, erklärte „Asia Watch“ am Sonntag.
Die Organisation legte einen über 600 Seiten starken Bericht vor, der eine Liste von mehr als 1.000 Personen enthält, die aufgrund ihrer politischen oder religiösen Überzeugungen ins Gefängnis oder Arbeitslager gekommen sind. Im vergangenen Jahr allein waren es mindestens 250 Menschen – die meisten seit der Niederschlagung der Demokratiebewegung von 1989. Allein 80 von ihnen in Tibet. Und nur die wenigsten Fälle wurden international bekannt. Peking gibt die Zahl der politischen und aufgrund ihrer Religion eingesperrten Gefangenen in China und Tibet mit 3.317 an. Da sich die chinesische Regierung aber weigert, ihre Gefängnisse und Lager für internationale Menschenrechts- oder Hilfsorganisationen zu öffnen, sei diese Zahl nicht überprüfbar. Wahrscheinlich seien es weitaus mehr.
Auch wenn Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes in Zukunft Gefangene besuchen dürften, sei zu befürchten, daß sie nur einen kleinen Teil jener Gefangenen zu Gesicht bekommen, die bereits verurteilt sind. Mißhandelt und gefoltert werde aber vor allem vor der Verurteilung – um ein Geständnis zu erhalten.
Wie scharf die Unterdrückung in Tibet ist, zeigt sich ebenfalls in diesem Bericht: Dort gibt es die meisten politischen Gefangenen, obwohl in Tibet nur rund zwei Millionen der 1,2 Milliarden Einwohner Chinas leben.
Der Bericht schildert Einzelfälle wie den des 25jährigen Lobsang Tenzin, der nach den Demonstrationen vom März 1988 in Lhasa festgenommen worden war. Als US-Botschafter James Lilley im März 1991 das Drapchi-Gefängnis in Tibet besuchte, versuchten Lobsang Tenzin und ein anderer Häftling, ihm einen Protestbrief gegen Folter und Mißhandlung von Gefangenen zu überreichen. Doch der Dolmetscher, der Lilley begleitete, riß dem Botschafter den Brief aus der Hand. Unmittelbar danach wurden die beiden Gefangenen geschlagen und in unbeleuchtete Isolationszellen gesperrt. Wie auch andere Häftlingen, die gegen diese Behandlung protestiert hatten, wurde er über Monate mit Handfesseln in Einzelhaft gehalten.
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