Sanssouci
: Nachschlag

■ Zehn Jahre Cafe Mora

Café Mora, illustre Gäste und Pelzmütze Foto: M. Barthelmes

Als Manfred Giesler das Café Mora in der Kreuzberger Großbeerenstraße im Februar 1984 eröffnete, war Berlin eine geteilte Stadt. Damals gehörte die Internationale Bauausstellung, Punkmusik und wilde Malerei zu den kulturellen Markenzeichen des westlichen Teils. 10 Jahre nun besteht das Mora, ein guter Grund, daß der Astronaut und Physiker Reinhard Furrer aus seinem Buch „Der nächste Mond wird anders sein“ las. Furrer berichtete vom Flug der D-1-Mission (1988), dem letzten vor der Challenger-Katastrophe. Sein außerirdisches Leben habe ihn verändert, so Furrer, er sei unduldsamer gegenüber kleinkarierten Weltentwürfen geworden, im All gebe es keinen Teamgeist, in der schwachen Schwere bestehe der Mensch nur aus Denken und Sehen, alle 90 Minuten erlebe man einen Sonnenaufgang, in wenigen Jahren fliegen die Menschen zum Mars, die Menschheit hat im Weltraumflug eine Erfahrung von 28 „Mannjahren“, und die Russen besitzen davon allein 22 solcher Art. Furrers Weltraum- Poesie war fesselnd, gut beobachtet und voller Detailkenntnis.

Vor zehn Jahren begann das Programm im Mora mit einem Vortrag von Jurek Becker. Später lasen Heiner Müller, Stephan Hermlin, Stefan Heym, H.C. Artmann, Bernd Rauschenbach, Jan Philipp Reemtsma, Michael Rutschky, F.W. Bernstein, Fanny von Dannen u.v.a. Texte vor. In diesem Jahr vergibt Manfred Giesler zum fünften Mal den Blaise-Cendras-Preis – den einzigen privaten Literaturpreis Deutschlands. Der Name des Cafés ist übrigens einer Romanfigur Blaise Cendras', dem „Moravagine“, entliehen. Im Café zeigte Giesler in den letzten Jahren an die achtzig Ausstellungen informeller, gestischer und figurativer Malerei. Johannes Grützke, Achim Freyer, ter Hell, Urs Jaeggi, Joachim Peeck und Alfred Hrdlicka stellten aus und lieferten so den Caféhausgästen Gesprächsstoff.

Der 1948 geborene Manfred Giesler kam 1971 nach Berlin, nachdem er Ingenieur-, Literaturwissenschaften und Philosophie studiert hatte. 1988 gründete er eine Galerie neben dem Mora, doch sind Café und Galerie für ihn gleichberechtigte Projekte. Das Mora ist in den zehn Jahren seines Bestehens zu einer Institution in Kreuzberg geworden. Bis tief in die Nacht ist es Treffpunkt von Künstlern und Literaten und setzt damit eine Berliner Tradition fort, die mit dem „Schwarzen Ferkel“ begann und seinen Höhepunkt im „Romanischen Café“ besaß. Daß das Mora weit über Kreuzberg hinaus bekannt ist und zu einer Kulturinstitution wurde, verdankt es dem konsequenten Engagement Manfred Gieslers. Am 6.3. liest Mats Ciupka, der diesjährige Blaise- Cendras-Preisträger, aus seiner gnadenlos ironischen Heimatdichtung im original märkisch-brandenburgischen Jargon. Funken

Brigitte Eckel: ... Und im Acheron auch ich ..., bis zum 27.2., Galerie Manfred Giesler, Großbeerenstr. 56., Mi.–So. 15–18 Uhr.