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Wir warn die stärkste der Parteien

Statt zum großen Aufbruch geriet der Bundesparteitag der CDU eher zum verzweifelten Versuch, sich noch ein bißchen Mut zu machen. Auch der Auftritt des Großen Vorsitzenden änderte daran nichts.

Wer sich für gut hält, sollte das als Politiker in einem Jahr mit 18 Wahlen auch laut sagen. Voraussetzung ist allerdings die Überzeugung, daß die Botschaft beim Adressaten auch ankommt. Da selbst CDU- Generalsekretär Peter Hintze daran Zweifel hat, wählte er in seinem Parteitags-Plädoyer für Optimismus eine andere Formel. Statt auf die eigenen Erfolge zu verweisen, behauptet er schlicht: „Zu uns gibt es keine vernünftige Alternative.“ Wo das Selbstbewußtsein angeknackst ist, muß der Verweis auf die vermeintliche oder reale Schwäche des Gegners Mut geben.

Um gegenseitiges Zusprechen von Mut nämlich geht es noch bis heute mittag in der Betonburg am Hamburger Dammtor: Der Auftakt zum Superwahljahr, die Landtagswahlen in Niedersachsen, droht zu einem Debakel zu werden – und damit zu einem Signal, daß die CDU nach zwölf Jahren die Macht in Bonn abgeben muß. Nicht die Wähler sind in diesen drei Tagen die Adressaten der Durchhalteappelle, sondern die vielen CDU-Mitglieder und Wahlhelfer, die Abgeordneten, die sich in Gedanken mit einer Zukunft ohne Mandat anfreunden müssen. Aber was hilft gegen die Angst angesichts der miserablen Umfrageergebnisse,die depressive Stimmung und gegen die Unzufriedenheit, die sich breit gemacht hat in den vergangenen Monaten? Und mit welchem Personal kann die CDU den öffentlichen Kampf bis Mitte Oktober bestreiten?

Da ist nur der eine Der-es-nicht- ewig-sein-Kann, der diese Partei in den vergangenen Jahren zugerichtet hat wie kaum ein Vorsitzender vor ihm. Der dafür gesorgt hat, daß kein fähiger christdemokratischer Politiker sich neben ihm hat entfalten können. Der ein Klima geschaffen hat, das CDU-Politikerinnen und -Politiker mit anderen Vorstellungen zwingt, sich Foren außerhalb der Partei zu suchen, wenn sie ihrer Meinung Gewicht verleihen wollen. Und der auch dafür gesorgt hat, daß viele der 1.000 Delegierten sich außerhalb der Parteitags-Trutzburg kaum mehr trauen, sich zur CDU zu bekennen.

Der-es-nicht-ewig-sein-Kann hat sich aufgerafft am ersten Tag, hat mit viel Sentimentalität die Lehren aus der deutschen „Gechichte“ gezogen, die Geschlossenheit der Partei beschworen und die Stimmung zu wenden versucht. Die rund 1.000 Delegierten haben ihn minutenlang beklatscht und bejubelt, was anderntags so auch in allen Zeitungen stand.

Ist das schon ein Erfolg? Kann man sich eine Rede des Der-es- nicht-ewig- sein- Kann vorstellen, die von den Delegierten in dieser Situation nicht im Stehen frenetisch gefeiert worden wäre? Denn sie wollten aufstehen, wollten sich selbst Mut zuklatschen und wollten die Quertreiber in der Partei öffentlich abgestraft sehen. Und keiner hat nachher den Begriff gebraucht, mit dem in ausweglosen Lagen doch immer die Kraft eines Einzelnen beschworen wird. Kein einziger hat gesagt, Der-es- nicht-ewig-sein-Kann sei „über sich hinausgewachsen“.

Natürlich haben auch die parteiinternen Kritiker geklatscht, die Vertreterinnen und Vertreter jener Gruppen, die, wie die Frauen, die Jugend, die Arbeitnehmer, in der Partei entweder an den Rand gedrängt worden sind oder wichtige Anliegen nicht durchsetzen können und um ihre Wählergruppen fürchten. Aber ihre Wortmeldungen am Dienstag, als es um das neue Grundsatzprogramm geht, stehen alle unter dem Druck, daß zum Ende des Parteitags am Mittwoch mittag um 14 Uhr eine geschlossene Truppe aus den Toren des CCH hinaus in das Wahljahr marschieren soll.

Der Partei steht das Wasser bis zum Hals, aber im Congress Centrum wird über ein neues Grundsatzprogramm diskutiert – das erste seit 1978. Mehr als zehn Stunden sind für die Diskussion über das rund 60seitige Programm angesetzt, das ein „Kompaß“ sein soll – und nicht eine Handlungsanleitung für die Tagespolitik. Zum Auftakt des Dauerwahlkampfs wird das Ergebnis einer zweijährigen Diskussion in der Partei verabschiedet, weil das Einschwören auf ein gemeinsames christliches Menschenbild den Parteimitgliedern ein Gefühl der Zusammengehörigkeit geben soll.

Von den sechs Kapiteln enthalten einige Vorschläge, die in großen Gruppen der Partei auf wenig Gegenliebe stoßen. So wehren sich sowohl Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) als auch CDU- Wirtschaftsverbände dagegen, daß der Leitbegriff „Soziale Marktwirtschaft“ durch den der „Sozial und ökologischen Marktwirtschaft“ ersetzt wird. Wenig Gegenrede provoziert dagegen die Beschwörung neuer Werte und Bindungen, die der verbreiteten Orientierungslosigkeit, der Vereinzelung und dem Egoismus entgegenwirken sollen. Zu den Werten gehören Pflichterfüllung und Gemeinsinn, denn die CDU tritt für die „konservative Erneuerung der Gesellschaft“ ein (Hintze).

An Lippenbekenntnissen zur Reform der Partei von innen fehlte es im CCH nicht. Auch der Generalsekretär fordert: „Wir brauchen auch als Partei eine Erneuerung, weg von Ritualisierung und Verkrustung. Wir brauchen die Öffnung hin zu den Bürgerinnen und Bürgern.“ Aber wie glaubwürdig ist so eine Zielsetzung, wenn Peter Hintze im folgenden Satz schon klarmacht, daß er die „Reform“ gemeinsam mit dem Parteivorsitzenden durchsetzen will, der doch selbst für die Verödung der Diskussionskultur gesorgt hat?

Folgenlose Aufforderungen zur Lebendigkeit sind im großen Saal des CCH wohlgelitten. Aber als Rita Süssmuth ans Podium geht, den Antrag der Frauenunion auf eine De-facto-Quote zu begründen, ertönen Pfiffe. Die Delegierten folgen willig dem von der Parteitagsregie vorgegebenen Kurs, der zu diesem Zeitpunkt keine Diskussion über die Frauenfrage vorsieht. Sie sind nicht einmal bereit, den Antrag zu behandeln, sondern überweisen ihn an Parteigremien.

Und auch der Delegierte vom Kreisverband Konstanz, Wilhelm Hansen, bleibt mit seinem Vorschlag gegen die Parteienverdrossenheit im Regen stehen. Die „Closed-shop-Politik“ des Bundesvorstands will Hansen aufbrechen und mehr Auseinandersetzung in die Partei hineintragen. Hansen ist kein Student, sondern seit zwölf Jahren Bürgermeister von Konstanz. Die Amtszeit von Mandatsträgern will der Antrag des Konstanzer Ortsverbandes auf zwei Legislaturperioden begrenzen. Aber kaum einer auf den Rängen hebt die Hand für den Vorschlag. Hansens Begründung für den Wechsel in Führungspositionen trifft auch die Veranstaltung, auf der er spricht. „Die Möglichkeiten der Veränderung mit Hilfe von Parteitagen“, so sagte der Delegierte vom Podium, „sind gering.“ Hans Monath, Hamburg

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