: Debatte über neue Bosnien-Teilungspläne
■ Sondierungen in Bonn über muslimisch-kroatischen Staat / Gratschow für Gipfeltreffen / Eine östliche und eine westliche Einflußzone?
Genf/Moskau (taz/AFP) – Neben Überlegungen über eine Ausweitung der „Sarajevo-Formel“ auf andere belagerte Städte Bosniens gehen hinter den Kulissen auch die Sondierungen über politische Lösungsmodelle weiter, die von dem offiziell noch auf dem Genfer Verhandlungstisch liegenden UNO-EU-Dreiteilungsplan für Bosnien abweichen. Sie sind Thema der Gespräche, die Bosniens Premierminister Haris Silajdžić diese Woche in Washington mit der Clinton-Administration führt, und standen auch bei den gestrigen Bonner Beratungen über Bosnien im Mittelpunkt. Mit von der Partie waren die Bosnien-Beauftragten der USA und Rußlands, Charles Redman und Witali Tschurkin, die politischen Direktoren der Außenministerien der zwölf EU-Staaten und Kanadas sowie ein aus Genf entsandter Vertreter der UNO. Redman reiste aus Zagreb an, wo er den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman gedrängt hatte, die von der Clinton-Administration bevorzugte Variante zu akzeptieren. Danach sollen die bosnischen Kroaten und Muslime in einem gemeinsamen, in Kantone untergliederten Staat auf etwa zwei Drittel des derzeitigen bosnischen Territoriums weiter zusammenleben. Den bosnischen Serben bliebe etwa ein Drittel des Territoriums im Grenzgebiet zur Drina, das sie an Serbien angliedern könnten. Dieses Modell findet Unterstützung bei dem am 5. Februar in Sarajevo gebildeten „Kroatischen Volksrat“, der mindestens drei Viertel aller bosnischen Kroaten vertritt. Tudjman stand bislang jedoch hinter den westherzegowinischen Kroaten Mate Bobans, die auf einen eigenen Staat mit der Hauptstadt Mostar und damit auf die Dreiteilung Bosniens drängten.
Bei seinem Gespräch mit Redman verlangte Tudjman zudem die Unterstützung der Clinton-Administration für die „Wiederherstellung der vollen Souveränität“ Zagrebs über Kroatien „in seinen international anerkannten Grenzen“ (das heißt: auch über die derzeit von serbischen Truppen besetzte Krajina) parallel zu einer Bosnien-Lösung. Redman sicherte dies zu.
Würde dieses Modell eines Tages Realität, wäre die Aufteilung des ehemaligen Jugoslawien in eine westliche (Kroatien, Slowenien, zwei Drittel Bosnien, Makedonien) und eine östliche (Serbien inklusive ein Drittel Bosnien, Montenegro) Einflußzone endgültig besiegelt. Scheitert das Modell etwa am Widerstand Tudjmans, wollen die USA die Teilung Bosniens in drei Staaten akzeptieren, wenn der künftige bosnisch-muslimische Staat 39 bis 40 statt der im EU/UNO-Dreiteilungsplan vorgesehenen 33 Prozent des bosnischen Territoriums sowie Landzugänge zur Adria im Westen und zum Save-Fluß im Norden erhält. Bei beiden Modellen blieben den bosnischen Serben deutlich weniger als die im EU-UNO-Plan vorgesehenen 52,5 Prozent Bosniens. Fraglich ist, ob Rußland bereit und in der Lage ist, die Serben zur Annahme eines der beiden Modelle zu drängen.
Der russische Verteidigungsminister Pawel Gratschow hatte am Montag abend ein Gipfeltreffen von Rußland, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und den USA vorgeschlagen, um den Krieg in Bosnien-Herzegowina zu beenden. In Moskau wurde aus diplomatischen Kreisen bekannt, daß bereits an der Vorbereitung eines Gipfeltreffens nach Gratschows Vorstellungen gearbeitet werde. Dieses Treffen solle ausschließlich dem Krieg in Bosnien gewidmet sein, hieß es. Das Präsidialamt erklärte hingegen, von einer derartigen Initiative nicht unterrichtet zu sein. azu
Siehe auch Seite 8
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen