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Organentnahme muß klar geregelt werden

■ Der gesundheitspolitische Sprecher von Bündnis 90/Grüne, Bernd Köppl, zur illegalen Organentnahme in Berliner Kliniken / Patient muß sich einverstanden erklärt haben

taz: Daß in Krankenhäusern verstorbenen Patienten ohne Einwilligung der Angehörigen Organe geklaut werden, ist nicht neu. Die AL hat schon 1988 eine klare Regelung dagegen gefordert.

Bernd Köppl: Das ist richtig. Seitdem ist aber nichts passiert. Es gibt keine eindeutige Rechtsgrundlage, weil das Organtransplantationsgesetz – ein Bundesgesetz – nicht verabschiedet worden ist. Es befindet sich im Bundesrat und soll bis zur Sommerpause verabschiedet werden. Aber dort wird ein reines Informationsgesetz vorgeschlagen. Es besagt: Es genügt, wenn ein Patient über die Möglichkeit der Organentnahme informiert worden ist.

Wie steht es denn mit den Vorschriften auf Landesebene?

Im Landeskrankenhausgesetz ist die Organentnahme nicht geregelt. Es gibt nur ein Rundschreiben der Senatsgesundheitsverwaltung, das die sogenannte Widerspruchslösung beinhaltet. Das ist nicht ausreichend. Denn wenn ein Patient in ein Krankenhaus geht, schaut er sich nicht das ganz Kleingedruckte an, bevor er es unterschreibt. So war es auch in den Fällen, die mehrere Angehörige von Verstorbenen an mich herangetragen haben. Sie haben Strafanzeige gegen einige Krankenhäuser erstattet, weil sie den Verdacht hatten, daß bei ihren Verwandten eine illegale Leichenöffnung und Organentnahme vorgenommen worden ist. Diese Strafverfahren wurden von der Staatsanwaltschaft alle niedergeschlagen. Zur Begründung hieß es, der Patient habe bei der Aufnahme im Krankenhaus automatisch seine Einwilligung für dieses Verfahren gegeben. Als ich das gehört habe, habe ich weiter herumgefragt und bin dabei auf drei Kliniken gestoßen, in denen offenbar haarsträubende Zustände herrschen. Das hat Gesundheitssenator Luther jetzt offiziell bestätigt.

Wie heißen diese Krankenhäuser?

Das muß Senator Luther offenlegen, er hat ja auch Anzeige erstattet.

Waren wirklich nur kleine Sektionsgehilfen bei den illegalen Obduktionen involviert oder auch gehobenes Fachpersonal bis hin zu Chefärzten?

Verdächtigt werden in erster Linie Sektionsgehilfen. Ob Ärzte beteiligt sind, ist noch nicht klar.

Was für Konsequenzen müssen daraus gezogen werden?

Es bedarf einer eindeutigen Regelung. Die Eingriffe dürfen nur bei Patienten vorgenommen werden, die vor ihrem Ableben schriftlich erklärt haben, daß sie mit einer Organentnahme einverstanden sind. Eine reine Widerspruchslösung reicht nicht aus. Außerdem muß der Organhandel von den Geschäftemachern weg zu den sogenannten Nonprofit-Unternehmen hingeführt werden. Bei der Niere und dem Herzen ist dies bereits erfolgt. Die anderen Organe werden jedoch von einer Art Mafia auf dem grauen Markt verschoben. Dem muß der Staat einen Riegel vorschieben.

Wurden die illegal entnommenen Organe innerhalb von Berlin verschoben?

Das sind größere Ringe. Die Spur geht nach Hessen. Dort soll ein Chemie- oder Pharmaziebetrieb die Leichenteile aufgekauft haben. Der Name des Unternehmens ist mir aber nicht bekannt. Interview: Plutonia Plarre

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