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Unzulässige Vereinfachung

■ Betr.: „Blutiger Landkrieg im Norden Ghanas“, taz vom 18.2.94

[...] Die Spannungen vor allem auf den Bau des Volta-Staudamms zurückzuführen, entspricht heutigen Denkgewohnheiten, ist aber eine unzulässige Vereinfachung. Vor allem die Stilisierung der Kämpfe zwischen den Konkomba und ihren Nachbarvölkern zu einem Konflikt zwischen landlosen Eingewanderten und grundbesitzenden Einheimischen trifft so nur für einen Teil des betreffenden Territoriums zu. In anderen Teilen dieser Region Nordghanas sind die Konkomba Einheimische, wenigstens seit über 100 Jahren. Die Beweise dafür kann man unter anderem in den Akten des deutschen Kolonialamtes finden, welches dieses Gebiet vor 1914 verwaltete. Möglicherweise kann man die Konkomba sogar zu den „ältesten“ der heutigen Volksgruppen in Nordghana rechnen. Jedenfalls haben die Zwangsumsiedlungen wegen des Staudamms weder im Konflikt 1985/86/89 mit den Moba (B'moba) noch im jetzigen Streit mit den Dagomba eine Rolle gespielt. Auch die Einwanderungsbewegung ins Nanumba-Gebiet, wo die jetzigen Kämpfe zuerst ausbrachen, ist mindestens seit den dreißiger Jahren im Gange, nicht erst seit dem Bau des Volta- Damms. Große Teile der dortigen Konkomba-Siedler kommen aus nördlichen, andere aus östlichen Nachbargebieten (letztere aus dem Staatsgebiet der heutigen Republik Togo) – und nicht oder nicht nur aus dem südlich liegenden Gebiet des heutigen Voltasees. Ebenfalls unrichtig ist, daß in diesen gewaltsamen Konflikten die Konkomba immer die Angreifer seien, wie es der Artikel erscheinen läßt, und in den Fällen, wo es zutreffen dürfte, nicht ganz einfach zu beweisen.

Wichtiger ist der folgende Umstand: Die Konkomba sind die zahlenmäßig zweitstärkste ethnische Gruppe in Nordghana. Die politischen und rechtlichen Verhältnisse des heutigen nachkolonialen Staats verweigern aber dieser und anderen Volksgruppen sowohl das juristische Eigentum an dem von ihnen bewohnten Territorium als auch die politische Repräsentation auf der Ebene der „Region“ (vergleichbar einem Bundesland). Und zwar auch dort, wo die Konkomba beziehungsweise ihre Vorfahren seit mehreren Jahrhunderten einheimisch sind. Das bildet den permanenten Nährboden für ethnische Spannungen, die sich in den letzten Jahrzehnten aus verschiedenen Gründen so weit verschärft haben (zunehmende Landknappheit, steigendes Bildungsniveau, Demokratisierung der Gesellschaft und des Staats, wachsende Organisationsfähigkeit der bisher unorganisierten Volksgruppen), daß inzwischen selbst unbedeutende Anlässe genügen, um ein Pulverfaß zur Explosion zu bringen. Dr. Artur Bogner, Bielefeld

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