Kultursterben, letzte Rate

■ Das Kulturressort legt dem Sparsenat seine allerneueste Prioritätenliste vor – und erklärt, daß jede weitere Kürzung über Leben und Tod der Kulturszene entscheidet

Da hat die Kultursenatorin doch mal wirklich die Wahl: Entweder die neuen Investitionen kappen, also z.B. am Ausbau der Bremer Kulturinstitutionen sparen – oder lieber gleich den Kulturbetrieb einstellen, durch drastische Kürzung der laufenden Subventionen nämlich. Vor diese Wahl jedenfalls stellt der Senat das Ressort jetzt. Um die Haushaltslücken im städtischen Gesamtetat zu decken, sollen schnellstens 115 Millionen Mark aus allen Ressorts her. Für die Kultur aber hätte das vernichtende Wirkung – wem das noch nicht klar war, der bekommt es jetzt Schwarz auf Weiß: Die Sparvorschläge, die das Ressort jetzt dem Finanzminister vorlegt, stellen praktisch eine Bankrotterklärung dar, und ein Armutszeugnis für den Kultursinn des Senats in seiner Gänze.

Nun versucht sich das Ressort vorerst damit aus der Affäre zu ziehen, daß allein die investiven Haushaltsmittel dem Sparsenat zum Fraß vorgeworfen werden. Nach diesem „Planspiel“ (Staatsrat Gerhard Schwandner) blieben immerhin einige, bereits jahrelang verschobene Unternehmungen gesichert: die Instandsetzung des Magazins im Überseemuseum, in dessen unergründlichen Tiefen die Kulturschätze vor sich hinfaulen; und die Modernisierung der Stadtbücherei durch ein EDV-System. So gelobt's der Staatsrat – andere, ebenfalls längst versprochene Investitionen aber muß das Ressort preisgeben. Bangen müssen nun, einmal mehr, u.a. das Schifffahrtsmuseum und das Fockemuseum.

Beim Fockemuseum, so fürchtet Schwandner, drohe nach der neuerlichen Prioritätenliste „nur noch eine ultrasparsame Pseudosanierung“. Der geplante Aus- und Umbau, der dem Bremer Traditionshaus die notwendige Frischzellenkur verpassen soll, müsse dann „nach einer ganz präzisen Liste“ in kleinsten Schritten vorangebracht werden. Den Vorschlag, die Erneuerung des Schiffahrtsmuseums in Bremerhaven einmal mehr zu verschieben, machte die Senatskanzlei der Kulturbehörde. Damit ließen sich angeblich 2,4 Millionen Mark auf einen Streich sparen – eine Rechnung, die allerdings ohnedies nicht aufgeht, wie Schwandner vorrechnet: Die eifrigen Sparer der Senatskanzlei hätten da nämlich 1,3 Millionen Mark Bundesmittel einfach mit hineingerechnet – „aber so einfach wird uns der Waigel das Geld für unsere Haushaltssanierung ja nicht schenken.“

Mit Verschiebungen allein wäre die Sache diesmal auch nicht getan, ahnt Schwandner. „Was jetzt verschoben wird, das könnte bals ganz gestrichen werden.“ Denn: „Bei uns gibt's nichts mehr zu sparen nach dem Modell: ,Man nimmt ein bißchen was weg und keiner wird's merken'“, sagt der Staatsrat.

Dabei bietet die Liste, die das Kulturressort nun vorlegt, uns noch die freundliche Version des drohenden Kultursterbens. Denn sie bezieht sich allein auf den – relativ niedrigen – Investitionsanteil am Kulturhaushalt. Würde der um die vorgeschriebenen 10 Prozent gekürzt, wären das umgerechnet 761.730 Mark; bei einer Streichung von 15 Prozent müßten 1.142595 Mark an Investitionen wegfallen. Das Rechenexempel aber entspringt allein der Vorstellung des Kulturressorts. Denn noch ist unklar, ob der Senatsbeschluß nicht letztlich auf die konsumtiven Haushaltsmittel zielt. Und das würden andere, investierfreudige Ressorts wie Bau und Wirtschaft bevorzugen. Gleichviel: An den Subventionen im konsumtiven Bereich, sagt Schwandner klar, lasse sich nichts mehr herumkürzen – „es sei denn, man haut hier alles kaputt, und das hat mit Kulturpolitik dann nichts mehr zu tun.“

Dann müßte das Kulturressort dem Senat z.B. folgende Rechnung aufmachen: Lassen wir doch das Ernst-Waldau-Theater verhungern, drehen dem Kito den Hahn ab, nehmen der Shakespeare-Company die gerade mühsam errungene Lebensversicherung von mageren 800.000 Mark jährlich wieder weg, schließen dann noch vier Bürgerhäuser und das nagelneue Medienzentrum Walle – schon wäre die Sparquote erfüllt. Drunter wäre es nicht zu machen. Im konsumtiven Haushalt nämlich gibt es nur wenig wirkliche Verfügungsmasse, zwischen 15 und 17 Millionen Mark etwa; der Rest ist ohnedies an feste Zusagen und gesetzliche Verpflichtungen gebunden. Davon müßten dann etwa 5,6 Millionen geopfert werden – somit ein Drittel des Geldes, mit dem in Bremen überhaupt noch ein wenig Kulturpolitik gemacht werden kann.

Am 13.3. will der Senat in einer Sondersitzung beschließen, wo wieviel gekürzt werden soll. Zuvor treten die Ressortleiter in sieben Tagen beim „Wohlfahrtsausschuß“ (Schwandner) an: Dort dürfen die Senatoren der Wirtschaft, der Finanzen und der Stadtentwicklung nebst Bürgermeister die Kulturprioritäten begutachten. Ob sie begreifen, wie „unverhältnismäßig stark“ die Kultur unter dem Sensenappell zu leiden hätte – Schwandner kann's nur abwarten: „Ich hoffe, daß die Senatskollegen sehen, daß eine Stadt ohne Kultur eher –ne trostlose Angelegenheit wird.“ Thomas Wolff