: Rep-Stadträte werden in die Wüste geschickt
■ Nach der jüngsten Abwahl in Neukölln halten die rechtsextremen „Republikaner“ nur noch einen Stadtratsposten / Seltene Einmütigkeit bei CDU, SPD und Bündnis 90/Grüne
Es war ein bühnenreifer Abgang. Kaum hielt Gesundheitsstadtrat Bernd Bruschke am Mittwoch abend seine Entlassungspapiere in den Händen, da stürmten rund ein Dutzend rechtsextreme „Republikaner“ (Reps) den Sitzungssaal im Rathaus Neukölln. Ein „Skandal“ sei, was hier geschehe, tönten sie. Doch der lautstarke Protest der Parteifreunde konnte an dem Beschluß der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) nichts mehr ändern. Rep- Stadtrat Bruschke muß sein Büro an der Karl-Marx-Straße räumen. Kurz zuvor war der 50jährige Postbeamte von 38 Verordneten – bei einer Enthaltung und sechs Gegenstimmen – aus seinem Amt abgewählt worden.
Zum Verhängnis wurde Bruschke eine Alkoholberatungsstelle in der Uthmannstraße in Neukölln, die er gegen den ausdrücklichen Willen der Senatsverwaltung für Gesundheit geschlossen hatte. In einer Sondersitzung mußte die BVV die Entscheidung des Rep-Mannes wieder rückgängig machen. „Organisatorisches und personelles Chaos“ habe unter seiner Amtsführung geherrscht, lautete stellvertretend für die anderen Parteien der Vorwurf von Bündnis 90/Die Grünen.
Bruschke selbst, dem vor seiner Abwahl bereits die Kompetenzen beschnitten worden waren, sieht sich als Opfer einer „konspirativen Handlungsweise“. Briefe der Senatsverwaltung, in denen der Fortbestand der Beratungsstelle zugesichert wurden, hätten ihn nicht erreicht. Gegen Bürgermeister Hans-Dieter Mey (CDU) und Gesundheitsstaatssekretär Detlef Orwat reichte er mittlerweile Dienstaufsichtsbeschwerden ein.
Bei den Wahlen zu den Bezirksparlamenten im Mai 1992 hatten die Reps in Berlin insgesamt 8,3 Prozent erhalten. Nur in 3 von 23 Bezirken war die Partei, die nach eigenen Angaben rund 1.350 Mitglieder zählt, an der 5-Prozent- Klausel gescheitert. In Tiergarten, Reinickendorf, Neukölln und Wedding, wo sie jeweils auf über 10 Prozent kam, konnte die rechtsextreme Partei jeweils einen Stadtratsposten besetzen. Doch ihr parlamentarischer Erfolg versandete zusehends. Mit der jüngsten Abwahl von Bruschke stehen nunmehr drei Stühle in den Bezirksämtern leer. Die Drehbücher, die dabei von den Rep-Gegnern zur Anwendung kamen, gleichen sich bis auf Nuancen: In seltener Einmütigkeit sorgten CDU, SPD und Bündnis 90/Grüne für den unfreiwilligen Abgang der Rechten. Verschont blieb nur Ingeborg Seifert, ihres Zeichens Rep-Sozialstadträtin in Reinickendorf. Übereinstimmend attestieren ihr die BVV- Fraktionen, bislang keine Fehler begangen zu haben. Nur einmal sorgte sie für Aufregung, als sie bosnischen Kriegsflüchtlingen die Sozialhilfe verweigern wollte.
Als erster der angetretenen Rep-Garde stolperte im November 1992 Michael Freese als Wirtschaftsstadtrat von Tiergarten mit markigen Äußerungen über die deutsche Ostgrenze. Die Idee eines Deutschland in den Grenzen von 1937, so hatte er in einer BVV- Sitzung kurz vor den Gedenkveranstaltungen zu den Pogromen am 9. November gefordert, sollte „nicht vorschnell aufgegeben werden“. Freese mußte gehen. Seitdem erfreut sich der Rechtsanwalt an den rund 7.000 Mark, die ihm monatlich bis zum Ende der Legislaturperiode als Ex-Stadtrat noch zustehen. Der Versuch der Reps, einen Nachfolger auf seinen Posten zu hieven, scheiterte bislang dreimal. „Mangelnde Qualifikation“, lautete jedesmal das Urteil der BVV-Mehrheit.
In Wedding, wo die Reps im Mai 1992 mit 14,4 Prozent ihr stärkstes Ergebnis erzielen konnten, riß den Verordneten von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen Ende vergangenen Jahres der Geduldsfaden. Nachdem am Nachtigallplatz Chemiekampfstoffe entdeckt wurden, wählten sie Rep- Umweltstadt Hermann Voss kurzerhand ab. Tagelang, so ihr Vorwurf, habe der Umweltstadtrat nicht auf die Funde reagiert. Der 53jährige Voss war schon zuvor unter den Kollegen im Bezirksamt aufgefallen. „Wir bemerkten ihn überhaupt nicht, er saß da und machte sich stets Notizen“, meint der Sozial- und Gesundheitsstadtrat Hans Nisblé (SPD).
Auch einige Rep-Fraktionen schmolzen seit Mai 1992 zusammen. Schon bei der Wahl von Voss, dessen Kandidatur vom Rep-Bundesvorsitzenden Franz Schönhuber gegen den Willen der Fraktion in Wedding durchgesetzt wurde, war es zum Eklat gekommen. Aus Protest gegen den eigenmächtigen Kurs der Partei legte Ursula Oguntke ihren Fraktionsvorsitz nieder und verließ zugleich die Partei. In Mitte fiel die einst dreiköpfige Rep-Fraktion innerhalb eines Jahres auseinander. Nachdem Doris Ostwald Ende 1992 aus Fraktion und Partei ausgetreten war, folgte ihr Ende letzten Jahres Heiko Heide. Der Partei, so begründete der 27jährige Gastronom seinen Entschluß, gehe es nicht um Sachkompetenz, sondern um Posten „im öffentlichen Leben und in der Partei“. Severin Weiland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen