: Kein Verlaß auf Intellektuelle?
■ betr.: „Prozeß gefordert“, taz vom 15.2.94, „Immer öfter“, taz vom 16.2.94, „Protest gegen ,Spie gel-TV‘“, taz vom 17.2.94, „Zei gen oder nicht zeigen“, („Beruf: Neonazi“), taz vom 19.2.94
130 Intellektuelle und Anti- Rassismus-Initiativen haben sich gegen die Fernsehausstrahlung des meiner Meinung nach aufklärenden Filmes von W. Bonengel gewandt. Herr Heinz Eggert von der CDU hat einen Prozeß gegen den Nazi E. Althans gefordert.
Daß ich Herrn Biermann und Frau Hamm-Brücher unter denen finde, die die Verbreitung nicht unerheblichen Informationsmaterials verhindern möchten, andererseits einen CDU-Minister unter jenen, die mit klarem Menschenverstand das fordern, was der Film als nötig erweist, nämlich das energische Vorgehen gegen den porträtierten Nazi, verwirrt mich sehr. Ist denn auf unsere Intellektuellen überhaupt kein Verlaß mehr?
Der Film zeigt, daß Nazis vom Schlage eines Althans durch humane Argumentationen nicht zu erreichen sind (siehe das Grinsen über die weinende serbische Frau, siehe die freche Lüge am Ort des Verbrechens), er zeigt, daß solche Nazis ungehindert in unserem Land tätig sind (siehe das Büro in München), er zeigt, daß die Nazis furchtbarerweise keine Randgruppe mehr sind (die Umgangsformen von Althans lassen an einen smarten bürgerlichen Manager denken, das finden – warum nur? – viele Leute neuerdings attraktiv), er zeigt also, daß wir unser Klischeebild vom Faschisten revidieren müssen und der Kampf gegen die Nazis komplizierter geworden ist, der Film entlarvt eine bestimmte Art von Grinsen (das man, wenn man Althans im Film gesehen hat, immer wieder auf höchst bürgerlichen Gesichtern entdeckt) als inhuman und faschistisch, und vor allem schreit der Film nach dem Eingreifen der Justiz, nicht gegenüber dem Botschafter, der die fürchterliche Nachricht bringt, sondern gegenüber dem Täter: E. Althans.
Da „Spiegel-TV“ den Film nun erst mal nicht vollständig zeigt, schlage ich einen neuen Sendetermin nach der Verurteilung von Althans wegen Volksverhetzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung vor. Michael Krauskopf
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