Reinste musikalische Bockigkeit

■ Die Melvins, ein respektverbreitendes Rock-Phänomen, das sich rechtzeitig aus der Grunge-Metropole Seattle absetzte, gibt es am 6. März in der Markthalle zu sehen

Die Melvins, die im Bewußtsein kommender Zustände schon 1988 Seattle entflohen, sind ein echtes Phänomen. Sicherlich gibt es unter der nach wie vor überschaubaren Schar, die dieses Trio kennt, einige, die mit der Musik nichts anfangen können, doch wahrlich wenige, die sie ablehnen oder gar nicht respektieren. Denn das ist das grundlegende Moment, daß die Melvins verbreiten: Respekt. Wenn nicht sogar übergehend in ein komisch ungemütliches Gefühl, welches beim Hören der Musik oder beim Betrachten der Cover und Bandfotos aufkommen mag.

Da sind keine ganz normalen Menschen am Werk, mag man denken. Dazu hätte es nicht erst der Hommage an die 7Ts-Rock-Heroen KISS bedurft, die die einzelnen Bandmitglieder in Form von drei EPs im KISS-Outfit (aber gefüllt mit quälend-stoischem Gebratze) vor etwa zwei Jahren veröffentlichten.

Seit zehn Jahren schon lassen sich Buzz Osborne und Dale Crover mit wechselnden Bassisten (momentan wieder dabei: Lori Black, Tochter von Shirley Temple) auf keinerlei musikalischen Trend ein. So, daß jetzt endlich der Ruf nach Wucht und Authentizität, der von den nahezu deckungsgleichen Gruppen Jugend/Plattenindustrie ausgeht, sie eingeholt hat und sich in Form ihrer im Rock-Kontext zugänglichsten Platte Houdini einlöst.

Doch auch dieses Werk ist noch durchzogen von Unverbindlichkeit, einem Nicht-Anbiedern nämlich, welches aus jedem Zwischenraum zwischen den langgezogenen, doch niemals warm einlullenden Tönen spricht. Die tausendmal benannten Bezugsgrößen Black Sabbath (Stooges, Iron Butterfly), von denen man das Original der Stücke, die die Melvins zerhacken, wähnt, sind letztendlich nur so wichtig wie der Strom für King Buzzos Gitarre. Was jedoch dann aus den Verstärkern kommt, ist reinste musikalische Bockigkeit, die die Stationen Dekonstruktion, Kommentar und Schichtung erfahren hat.

Da ist keinem im Grunde altbekannten Rockmonument eine Prise Freestyle beigefügt, sondern aus verinnerlichter Anti-Haltung ergeben sich nebenher Rockmomente von beachtlicher Gewalt und Gewalttätigkeit.

So erfüllen die Melvins in einer Welt, in der Pearl Jam Normalität sind, die ungemein wichtige Aufgabe der Verunsicherer, der Spielverderber. Auf daß Forschung und Dissidenz wieder neues Leben spüren.

Uschi Steiner

6.3., Markthalle, 21 Uhr