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Wird nichts mit klingendem Spiel

■ Die vereinigte Kulturszene weigert sich, zum Nationalfeiertag anzutanzen, wie die Senatskanzlei es wünscht

Die breiteste Konföderation, zu der sich die bremischen Kulturschaffenden je verbündet haben, trat gestern vor die Presse und sagte, daß es nun genug sei. Selbst der Landesarchäologe war gekommen, die Stadtbibliotheksleiterin und der Chef des Focke-Museums, und allesamt bekräftigten: Nein, es werde sich niemand und aberniemand an dem geplanten Rummel zum „Tag der deutschen Einheit“ am 3. Oktober beteiligen; man möge gefälligst ohne die Kulturszene feiern, gesetzt den Fall, es gibt sie dann noch.

Vor einigen Wochen war die Senatskanzlei an die Kulturträger herangetreten mit dem Wunsch, man möge sich ein wenig herausputzen für diesen Festtag, da doch jede Menge Gäste aus dem ganzen Land in Aussicht stünden: Weil der nächste 3. Oktober in Bürgermeister Wedemeiers Amtszeit als Bundesratspräsident fällt, ist Bremen nämlich mit der Ausrichtung der zentralen Bundesfeierlichkeiten betraut.

Dieses Ansinnen sei „eine Farce“, sagte gestern Hartmut Müller, der Leiter des Staatsarchivs. In einer gemeinsamen Erklärung der Empörer heißt es, die geplante Kürzung des Kulturetats um 5,56 Millionen Mark werde „alle Aktivitäten der Bremer Kultureinrichtungen zum Erliegen bringen“. Da sei es geradezu zynisch, wenn's hinterher an dem Tag, wo alle zuschauen, noch einmal ein „kulturelles Feuerwerk“ geben solle.

Der Senatspressesprecher Klaus Sondergeld findet diese Weigerung „schade, insbesondere für die Kulturszene“. Sie habe ja doch eine einmalige Chance, sich zu „präsentieren“: Die Senatskanzlei rechnet mit rund 100.000 Gästen, davon allein 700 Journalisten. Speziell für die Medien seien schon regelrechte Rundfahrten vorgesehen, vorbei an den Stätten hiesigen Kulturschaffens.

Das wiederum macht die Betreiber dieser Stätten herzlich lachen, da es doch stellenweise bereits hereinregnet. „Oder will man den Gästen ein Potemkinsches Dorf hinstellen?“ sagte Klaus Pierwoß, der Intendant des Bremer Theaters.

Selbst dann bliebe noch die Frage, von welchem Geld. Ein Spezialtopf für den 3. Oktober sei nicht vorhanden, sagt Klaus Sondergeld von der Senatspressestelle, es könne sich aber durchaus noch was „ergeben“. Die „Eröffnungsrochade“ der Kulturleute hält er jedenfalls nicht für das letzte Wort, gestern sei mit den Betroffenen bereits ein nächstes Gespräch am 18. März vereinbart worden.

Auch der Kulturstaatsrat Schwandner erhofft sich übrigens beharrlich „ein klingendes Programm“ für den Feiertag: „Wir können ja nicht selber musizieren!“

Die Kulturszene hat derweil, sagt sie, ganz andere Sorgen. Gestern traten der Reihe nach Vertreter der leidenden Institutionen vor und sagten, was sie alles keinesfalls mehr machen können, wenn im angedrohten Umfang eingespart wird: Die Weserburg macht keine Anselm-Kiefer-Ausstellung, das Überseemuseum ist mitsamt seinem Magazin bald ganz am Ende, die Shakespeare-Company macht keinen Urlaub mehr, Volkshochschule und Stadtbibliothek stellen ihr Veranstaltungsprogramm ein bzw. schließen die ersten Filialen, die Kunsthalle kann sich nicht einmal mehr einen Direktor leisten, das Focke-Museum storniert die Ausstellung betreffend ein paar Jahrhunderte Bremer Unabhängigkeit, und der Landesarchäologe gräbt nicht mehr.

Schon kursieren die ersten Rechenexempel mit Listen von Einrichtungen, die man schließen müßte, um auf gut fünf Millionen Ersparnis zu kommen. Eine Möglichkeit: Das Ernst-Waldau-Theater, die Shakespeare-Company, das Medienzentrum, vier Bürgerhäuser. Eine andere Möglichkeit: das Ernst-Waldau-Theater, das Schnürschuh-Theater, drei Bürgerhäuser, das Lagerhaus, den Schlachthof und alle freien Theatergruppen. Eine dritte Möglichkeit: alle Bürgerhäuser. Und so weiter.

Da nimmt es den Theaterintendanten Pierwoß machtvoll Wunder, daß man andererseits „700.000 Mark hat, allein um zu prüfen, ob ein Musical sinnvoll wäre“. Umso gebieterischer fordert die Szene die Rücknahme der aktuellen Sparpläne für den Kulturbereich. schak

(vgl. den Kommentar auf S. 33)

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