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Ehrenkreuze für rechte Kämpfer

Sind faschistische polnische Partisanen rehabilitiert, weil sie gegen die Rote Armee und für ein unabhängiges Polen gekämpft haben?  ■ Aus Warschau Dawid Warszawski

Polen war das einzige besetzte Land Europas, in dem die Deutschen nicht versuchten, eine Kollaborationsregierung einzusetzen. Der einzige Kandidat für den Posten eines polnischen Kollaborateurs, der ehemalige Premier Leon Kozlowski, ist am Ende in einem deutschen Lager gelandet. Im Gegensatz zu ihren ausländischen Gesinnungsbrüdern mußten die polnischen Faschisten so im Untergrund bleiben. Diese Tatsache und die antideutsche, panslawistische Grundhaltung der polnischen Rechten führten dazu, daß auch die polnischen Faschisten gegen die Deutschen und nicht nur mit dem inneren Feind kämpften – den Kommunisten, Liberalen, Juden und später auch der die Deutschen vor sich hertreibenden Roten Armee.

Die bewaffnete Hauptformation der extremen Rechten waren die „Nationalen Streitkräfte“ (NSZ). Zumindest einige ihrer Untergruppierungen ließen sich auf lokale Stillhalteabkommen mit den Deutschen ein – im Namen des gemeinsamen Kampfes gegen die Rote Armee und die Juden. Ein Teil der NSZ trennte sich und schloß sich der Heimatarmee an. Einige andere zogen sich zusammen mit den Deutschen vor der Roten Armee zurück. Nach der Befreiung legten die NSZler ihre Waffen nicht nieder, sondern bildeten den harten Kern des antikommunistischen Widerstandes. Die Mehrheit der Polen sah das kommunistische System schon bald als neues Besatzungsregime an. In den ersten Nachkriegsjahren fielen von der Hand der NSZ Hunderte, wenn nicht Tausende kommunistischer Funktionäre, Polizisten, Spitzel und Soldaten oder einfach Sympathisanten des neuen Regimes. Juden wurden umgebracht, ohne daß man sie zuvor nach ihren politischen Sympathien gefragt hätte.

Das kommunistische Regime war ebenso rücksichtslos; allein der Verdacht einer NSZ-Zugehörigkeit genügte für eine Festnahme und Verurteilungen zu langjährigen Haftstrafen. Folter war Routine, verfolgt wurden oft gleich die ganze Familie und die Freunde. Danach geriet die NSZ in jahrelange Vergessenheit. Nach der politischen Wende von 1989 tauchten die ehemaligen NSZler langsam wieder auf und forderten Anerkennung für ihren Kampf und Entschädigungen für ihre Leiden. Die Geschichte habe ihnen recht gegeben, argumentierten sie. Auf den Vorwurf, ihre Einheiten hätten Hetzjagden auf wehrlose und unschuldige Juden veranstaltet und mit den Deutschen kollaboriert, antworteten sie kurz, das sei kommunistische Propaganda. Langsam begann eine weiße Legende die schwarze Propaganda der Kommunisten zu ersetzen.

Im Jahre 1992 wurde die NSZ offiziell rehabilitiert. Zu diesem Anlaß hielt der Feldbischof der Polnischen Armee, Slawoj Gwozdz, in der Warschauer Garnisonskirche eine Messe ab. Vor dem Grabmal des Unbekannten Soldaten fand ein feierlicher Totenappell statt. Anwesend war auch der nationalkatholische Parlamentspräsident Wieslaw Chrzanowski. Auch eine neue Kombattantenauszeichnung wurde eingeführt: Das NSZ-Kreuz, das erstmals im Juni 1993 an ehemalige NSZler verliehen wurde. Nun gab es auch Veteranenrenten für NSZler.

In der liberalen Presse begann eine heftige Debatte über die NSZ zwischen Historikern, Publizisten, Zeugen von NSZ-Verbrechen und NSZlern, die in kommunistischen Gefängnissen gefoltert worden waren. Sie konnten sich weder auf eine gemeinsame Beurteilung der Vergangenheit noch über die Tatsachen einigen: über jene Verbrechen, die die NSZler nach wie vor leugnen. Auf dem Höhepunkt der Debatte meldete sich die Christnationale Partei zu Wort, deren Parlamentsfraktion im Juni 1993 erklärte, „mit Besorgnis die seit einiger Zeit von postkommunistischen und jüdischen Organisationen betriebenen Versuche, die NSZ zu verleumden“ zu beobachten.

Im Herbst 1993 entfachte die Debatte mit dem ersten Prozeß gegen einen stalinistischen Geheimdienstler seit Wiederherstellung der Demokratie, von neuem. Der Angeklagte sollte damals einen NSZler ermordet haben. Noch einmal führte dieser Prozeß der Öffentlichkeit das Leid vor Augen, das NSZlern angetan worden war. NSZler machten vor dem Gericht erschütternde Aussagen, die öffentliche Sympathie war auf ihrer Seite. Sieht man von den stalinistischen Prozeßfarcen einmal ab, so hat es bisher keinen einzigen Prozeß gegen einen ehemaliger NSZler gegeben. Und sicher wird es dazu auch nicht mehr kommen.

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