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NeustädterInnen träumen von einer Maut

■ Was tun gegen die tägliche Dosis Abgas? / Phantasiereise mit Verkehrsökologen

Stellen Sie sich vor: die Bremer Neustadt als Klein-Venedig, das Ortsamt als Wasserschloß, und Sie gleiten mit dem Wassertaxi lautlos über den Friedrich-Ebert-Kanal... Schön könnte sie sein, die Neustadt. Ulrich Kinder vom Büro für Verkehrsökologie nahm am Samstag 30 NeustädterInnen im Rahmen einer „Zukunftswerkstatt“ auf Phantasiereise mit.

Anlaß der Veranstaltung ist die Studie des Gesundheitsressorts, die im April fertiggestellt sein wird. Die Zwischenergebnisse zeigen eine erhebliche Belastung mit Lärm und Abgas. Statt „Kanal“ ist die Friedrich-Erbert-Straße eine Verkehrs-Trasse. Oft klirren die Gläser im Schrank.

60 Prozent aller getöteten und schwerverletzten VerkehrsteilnehmerInnen in der Neustadt sind FußgängerInnen und RadfahrerInnen. Besonders gefährlich sind die Friedrich-Ebert-Straße, die Langemarckstraße, die Neuenlander und die Pappelstraße. Hohe Abgaskonzentrationen im Straßennetz der Neustadt, speziell entlang der Oldenburger und Neuenlander Straße, bedeuten für die AnwohnerInnen ein erhöhtes Krebsrisiko im Vergleich zu anderen Stadtteilen. „Bei offenem Fenster können wir schon seit 30 Jahren nicht mehr schlafen“, sagt eine Frau aus der Neuenlander Straße. Tag und Nacht vorbeidonnernde LKWs haben Risse in ihrem Haus verursacht.

Sie und die anderen auf dem Seminar sind sich einig: durch falsche Verkehrspolitik ist ihr Stadtteil von Verkehrstrassen eingekesselt. Tag für Tag quälen sich PendlerInnen rein und raus. Der gesamte Schwerlast-Verkehr vom Süden nach Bremen hinein oder zum Güterverkehrszentrum.

Im Innenbereich der Neustadt ärgern sich RadfahrerInnen über fehlende Fahrradwege. Besonders auf der Pappelstraße mit Kopfsteinpflaster, Straßenbahnschienen und Wochenmarkt gerät das Radfahren auf der Straße fast immer zum Nervenkitzel. „Und wo soll Paul allein fahren, wenn er erst älter ist?“ schimpft eine Mutter, deren Sohn schon beim Mitfahren auf dem Rad vor Angst oft zu heulen beginnt. Mehr Zebrastreifen und Ampeln als Überquerungshilfen - z.B. bei der Neustadtbücherei - das wären die ersten Schritte zu mehr Sicherheit.

Damit noch lange nicht genug der Träume: Warum soll nicht eine Mautgebühr für die Innenstadt an der Neuenlander und Oldenburger Straße erhoben werden. „Das würde die AutofahrerInnen vielleicht dazu bringen, sich verstärkt um Fahrgemeinschaften zu kümmern!“ meinte ein entnervter Neustädter. Finanzielle Einbuße habe sich immer noch als die beste Erziehungsmethode erwiesen. Effektiv wäre es auch, meinte ein anderer, die PendlerInnen umzuleiten und den Busverkehr über die Erdbeerbrücke auszubauen. Am Grollander Bahnhof könnte ein LKW-Shuttle eingerichtet werden, um die Güter von der Straße auf die Schiene zu bringen. An Brötchenstationen könnten sich müde LKW-FahrerInnen laben.

Oder Parkplätze werden reduziert und gebührenpflichtig. AnwohnerInnen verwalten genossenschaftlich die Parkstreifen in ihrer Wohngegend. „Das könnte Denkanstöße geben! Wer sagt eigentlich, daß es legal sein muß, überall kostenlos seine 1,5 Tonnen Blech abstellen zu dürfen?“

Kernproblem aber ist das fehlende Verkehrsvermeidungskonzept. „Da tut sich ja doch nichts!“ meinte die Frau von der Neuenalander Straße resigniert. Auf den Ausbau des Knotenpunktes Neuenlander Straße verzichten? Davon läßt nicht einmal träumen.

Sarah Lohmann

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