In Mitte abgeblitzt, in Spandau dabei

■ Kkandidatenkür bei SPD, CDU und PDS: Thierse gegen Heym, Barbe gegen Gysi / Krüger neu im Geschäft, Lummer in Spandau, und CDU-Strippenzieher Kittelmann ist weg vom Fenster

Stefan Heyms Nominierung für die Bundestagswahl betrachtet man bei der Konkurrenz von der SPD gelassen. Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung geht davon aus, daß der sozialdemokratische Spitzenkandidat Wolfgang Thierse es im Wahlkreis Mitte/Prenzlauer Berg gegen den Schriftsteller schaffen kann. Dafür spricht in seinen Augen der Vorsprung, den die SPD in beiden Bezirken seit den letzten Bundestagswahlen 1990 hatte. Dieser hat zwar bei den Bezirkswahlen im Sommer 1992 einen leichten Einbruch erlitten, die aktuellen Trendzahlen sehen die SPD jedoch wieder im Aufwind. Thierses Position wurde zudem durch die Nominierungsquerelen der CDU im Wahlkreis gestärkt.

Vor sechs Wochen ließ sich dort der Bundestagsabgeordnete Heinrich Lummer nieder. Die Eröffnung seines Büros erfolgte jedoch verfrüht, er blitzte bei den Parteifreunden vor Ort ab. Dafür fand Lummer ein Plätzchen in Spandau. Gewählt wurde in Mitte die Autorin Helga Schubert. Schwieriger dürfte schon der Stand sein, den Angelika Barbe gegen Gregor Gysi hat. Die Ost-SPD-Gründerin will dem Bundestagsfraktions- Vorsitzenden den Wahlkreis Hellersdorf/Marzahn abjagen. Kein leichtes Unterfangen, auch wenn mit dem Abgeordneten Horst Gibtner für die CDU gleichfalls kein ausgesprochenes Zugpferd ins Rennen geht. In Hohenschönhausen stellte die CDU die ehemalige Volkskammerpräsidentin und Boutiquen-Freundin Sabine Bergmann-Pohl auf.

Gegen Gysi, der sich bereits 1990 das Direktmandat holte, sollte nach dem Willen der SPD- Wahlkampfstrategen eigentlich Walter Momper antreten. Doch der winkte ab, er wollte einer Ost- Politikerin der ersten Stunde nicht den Rang streitig machen.

Unangefochten waren in ihren jeweiligen Wahlkreisen die SPD- Bundestagsabgeordneten Konrad Elmer (Hohenschönhausen, Pankow, Weißensee) und Siegfried Scheffler (Köpenick, Treptow) im Osten und Renate Rennebach (Steglitz, Zehlendorf) im Westen. Auch Sigrun Klemme hat gute Chancen, wieder ins Bundesparlament einzuziehen, ist sie doch in Wilmersdorf und Charlottenburg bislang die einzige Kandidatin. In der gleichen Sicherheit kann sich Ingrid Holzhüter wähnen, die für die SPD im Abgeordnetenhaus sitzt. Sie will in Tempelhof nominiert werden. Parteiinterne Stichwahlen wird es hingegen in Schöneberg und in Kreuzberg geben, wo gegen den Altlinken Kurt Neumann die Halblinke Monika Schümer-Strucksberg antreten will. Nach klassischem parteiinternen Rechts-Links-Muster können sich die SPDler im Norden zwischen dem Weddinger Bürgermeister Jörg-Otto Spiller und dem Abgeordneten Peter Schuster entscheiden. Mit dem jetzigen Jugendsenator Thomas Krüger soll jemand für den Wahlkreis Friedrichshain/ Lichtenberg in den Bundestag ziehen, von dem Hartung glaubt, daß er die Profillücke, die der jetzige Abgeordnete Gerd Wartenberg hinterlassen wird, ausfüllen kann. Wartenberg scheidet genauso aus dem Bundestag aus wie der ehemalige Regierende Bürgermeister Hans-Jochen Vogel.

Hartung erwartet, daß seine Partei vier bis fünf Direktmandate im Osten und drei bis vier im Westen holen wird. Damit wären die SPD und die CDU, zumindest was ihre Selbsteinschätzung anbelangt, gleichauf. Denn auch der parlamentarische Geschäftsführer der Christdemokraten, Volker Liepelt, hält die Seinen für sechs bis acht Direktplätze für gut. 13 sind insgesamt zu vergeben, etwa 26 Bundestagsmandate entfallen auf Berlin.

Nie im Zweifel war bei der CDU der Wiedereinzug der altgedienten Diepgen-Kamarilla Dankwart Buwitt, Gero Pfennig und Jochen Feilcke in den Bundestag. Dietrich Mahlo konnte sich in seinem Heimatkreis Wilmersdorf/ Charlottenburg sogar gegen den ehrgeizigen, aber blassen Staatssekretär in der Verkehrsverwaltung, Ingo Schmitt, durchsetzen. Der muß nun seine politischen Aktivitäten genauso auf Berlin beschränken wie der Generalsekretär der CDU, Dieter Ernst. Der fiel im Tiergarten/Wedding gegen den konturlosen Abgeordneten Siegfried Helias durch. Ernst war erst auf dem letzten Landesparteitag im November als Diepgens Wunschkandidat zum Generalsekretär gewählt worden. Sein knappes Ergebnis war schon seinerzeit als Schlappe für den Regierenden gewertet worden.

Ein weiterer seiner Getreuen wurde damals sogar noch knapper in den Landesvorstand gehievt. Der Bundestagsabgeordnete Peter Kittelmann, der die innere Führung der Berliner CDU jahrelang in Diepgens Sinne organisierte, verstand die Zeichen der Zeit. Er kandidiert nicht wieder für den Bundestag, sondern läßt sich mit einem Mandat ins Europaparlament entsorgen. Dieter Rulff