: Glotzen verboten
■ Polizeiführung streicht Fernseh-Bildungsprogramm an Hamburgs Wachen Von Kai von Appen
„Mehr Bürgernähe, mehr Präsenz vor Ort!“ So lautet die neue Zauberformel von Innensenator Hackmann, der aber zugleich bei der Schutzpolizei kräftig sparen möchte. Beides läßt sich nur vereinen, wenn die Bullen und Bulletten künftig mehr arbeiten und nicht so viel Zeit nutzlos verplempern.
Erst kürzlich gab es wegen der neuen Order die erste deftige Krise: Weil ein Harburger Polizist und seine Kollegin, die zum Objekt- und Personenschutz für Bundesminister Volker Rühe zu dessen Privatdomizil abkommandiert worden waren, sich die Zeit mit Gameboy-Spielen im Streifenwagen vertrieben, gab es nicht nur ein heftiges Donnerwetter – nein! Die beiden Uniformierten wurden sogleich strafversetzt und ihr Chef in den Innendienst abkommandiert. Nun müssen zwei andere Beamte das Rühe-Haus bewachen und ihre Zeit im Garten vergammeln.
Und schon der nächste Schlag: Das Fernsehen auf den Wachen ist künftig verboten, und die Glotzen werden eingezogen, sofern sie nicht umgehend freiwillig entfernt werden. Begründung: Die BeamtInnen würden zu viel Zeit vor der Mattscheibe verbringen, statt Patrouille zu fahren und Verbrecher zu fangen oder ihre Berichte ordnungsgemäß zu schreiben.
Doch das Verbot könnte schnell zum Eigentor werden. Denn es gibt mittlerweile die kleinen tragbaren Miniglotzen a la Casio, die sich bequem in den Jackentaschen verstecken lassen. Während die Vorgesetzten glauben, die jungen BeamtInnen gehen wunschgemäß auf Streife, um Präsenz an möglichen Tatorten zu zeigen, parken sie ihren Peterwagen in der stillen Seitenstraße und gucken sich dort das Fußballspitzenspiel an – und da der Kleinstbildschirm vollste Konzentration erfordert, werden sie dann nicht einmal bemerken, wenn neben ihnen ein Auto geknackt wird. So geschehen am Wochenende in Wiesbaden, als die zur Bewachung von Innenminister Manfred Kanther eingesetzten Beamten nicht mitbekamen, daß die gleich nebenan geparkte Blechkarosse des Kanther-Töchterchens aufgebrochen wurde. Peinlich!
Und sparen tut die Polizeiführung durch das Fernsehrverbot auch nichts. Denn das alltägliche Bildungsprogramm der Privatsender in Sachen Verbrecherfang durch „die Wache“, Hunter, Dee Dee McCall, Columbo, Quincy, Knight Rider, Dempsey & Makepeace oder der Frau mit dem Colt & Co. muß nun anderweitig nachgeholt werden. Fragt sich nur wie: Vielleicht ein Derrick in der Polizeischule oder ein polizeilich verordneter Großstadtrevier-Abend nach Feierabend? Das kann doch kein Ausgleich sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen