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Ohne Affekthascherei

■ Kampnagel: Helene Delavault sang Lieder und Chansons des Jahrhunderts

Zwei goldene Ohrringe als Schmuck, das schulterlange Haar ohne Glitter und Tand, ein schwarzes Kleid – Helene Delavault in Les Rues de la nuit - die Straßen der Nacht. Ein kleiner, feiner Chansonabend am Dienstag auf Kampnagel in der großen, dunklen, kalten Halle 6.

Das scheint die Sängerin nicht zu stören. Ein Lächeln ohne Affekthascherei, erste Klavierklänge vom Mann am Flügel (sympathisch und zurückhaltend der Pianist Yves Prin). „Heute ist verschwunden, was ich noch gestern besaß“, singt sie mit französischem Akzent und der Zauber der Chansons umfängt die Zuhörer.

Sie singt von Liebe und Leid, von Krieg und Hunger, von leidenden Müttern und Arbeitern, und immer von Gefühlen. Die sind stets zu spüren, wenn Helene Delavault im klangvollen Mezzosopran die klassischen Lieder und Texte von Francis Poulenc, Hans Eisler, Bertolt Brecht, Kurt Weill oder Reynaldo Hahn interpretiert. Vor jedem Stück kommentiert die Sängerin, mal kokett, mal erklärend, und gibt Kostproben ihres schauspielerischen Talents.

Helene Delavault war die umjubelte Carmen in Peter Brooks Pariser Produktion La Tragedie de Carmen, mit der er 1985 und '89 in Hamburg gastierte. Nun ist die Sängerin aus der Brook'schen Truppe, die auf Kampnagel gerade The Man Who zeigt, wieder in der Hansestadt.

Schade nur, daß das Publikum in der Halle 6 etwas fröstelte. Atmosphäre entstand in diesem unpersönlichen Rahmen nur schwerlich. Chansons müssen nicht unbedingt in plüschigen Kneipen gesungen werden, aber ein bißchen mehr Gemütlichkeit und Wärme hätte auch dieser Chanson-Abend verdient.

Katrin Wienefeld

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