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■ Press-SchlagGenossen am Ball

Von Berti Vogts wissen wir, daß er gelegentlich mit Bundeskanzler Helmut Kohl telefoniert. Worüber die beiden reden, ist ein wohlgehütetes Geheimnis, nur Fußball kann es nicht sein. Oder wie sonst könnte die SPD behaupten: „Wenn eine Partei etwas von Fußball versteht, dann wir“? Diesen Slogan druckt sie ab jetzt groß auf Plakate und macht Wahlkampf damit – für die Europawahl.

Wie können sie nur so verwegen Fußballkompetenz behaupten? Etwa weil Kanzlerkandidat Rudolf Scharping sich gerne mal auf dem Betzenberg in Kaiserslautern herumdrückt, ab und zu „mit Stefan Kuntz telefoniert“ (aha!) oder mit Klaus Toppmöller „ein Bier trinkt“? Reicht das schon, des Kanzlers Telefonate mit dem Bundestrainer zu übertrumpfen? Oder wie zieht sich Günter Verheugen in dieser Frage aus der Affäre? „Weil wir ein Team sind und in der Lage, Tore zu schießen“, antwortet der SPD-Bundesgeschäftsführer recht nebulös und redet lieber über das bundesweite Fußballturnier, das die Sozis in diesem Frühjahr unter dem Motto „Fairplay für Europa“ durchführen.

Endlich ist die Basis einmal wieder mobilisiert worden. Flugs waren die Genossen am Ball und haben schon jetzt 220 Turniere mit 6.500 Mannschaften und fast 60.000 Mitspielern aus dem Boden gestampft. Im Erich-Ollenhauer-Haus freuen sie sich wie Bolle darüber, daß sie Fußball als Thema für sich besetzt haben. Und die anderen nicht. Aber bitteschön, so muß hier unbarmherzig nachgefragt werden, mit welchem Recht? Ist das etwa ein letztes Aufflackern der SPD als Arbeiterpartei, die Fußball als den Sport der Arbeiter für sich entdeckt?

Nein, kein Wort davon, und überhaupt bleibt die Antwort auf solch drängende Fragen aus. Als Ersatz gibt es Promis. Allen voran Willi Lemke, den Werder-Manager und ehemaligen Geschäftsführer der Bremer SPD, der momentan an seiner Rückkehr in die Politik bastelt, und Joachim Streich, Rekordtorschütze der DDR-Auswahl und heute Bewegungstrainer bei der AOK in Magdeburg. Mit der Auswahl der anderen Promis konnte die SPD ihren Fußballsachverstand aber nicht unterstreichen. MSV-Torwart Jürgen Rollmann war nach seinen vier Gegentoren von München zum Start der SPD-Fußballoffensive wenigstens noch nach Bonn gekommen. Bernd Stange, als Trainer des VfB Leipzig frisch geschaßt, sucht im Moment hingegen den Abstand zum Fußball. Klaus Toppmöller ließ sich auch entschuldigen. Er hofft nämlich gerade, daß er diesen Abstand nicht auch bald benötigt. Und Souleyman Sanes Gang in die SPD-Baracke war von höherer Gewalt verhindert worden: Wattenscheid-Boß Klaus Steilmann hatte ihm das Engagement schlichtweg untersagt – wg. Abstiegskampf.

So mußte nochmal der arme Günter Verheugen ran, und im dritten Anlauf über den Kunstrasen versenkte er einen Elfmeter hinter Jürgen Rollmann. Die SPD versteht wirklich was von Fußball. Doch halt, so wissen wir von des Kanzlers Auftritten bei Berti Vogts Mannen, Elfmeter schießen kann Helmut Kohl auch. Aber die Chance, was daraus zu machen, hat die Union verpaßt. Und muß sich demnächst wohl mit den anderen Parteien um die verbliebenen Sportarten rangeln. Da heißt es zugreifen, bevor es ein anderer tut: die Partei, die länger läuft! Mit uns: Reiten für Deutschland! Schwimmen, da sind wir fit! Die Minigolf-Experten! Wir liegen richtig – beim Kleinkaliberschießen! Wenn eine Partei etwas von Fußball versteht, dann wir! Ach nee, das ist ja schon vergeben. Christoph Biermann

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