: Poker um Prozente
■ Erst kommerzielle TV-Lizenz für PolSat / Ufa als Partner?
„Die Schlacht um den ersten privaten Fernsehkanal in Polen hat das Halbfinale erreicht“, meldete Le Figaro und gab zwei „Halb-Sieger“ bekannt: das polnische Satellitenprogramm PolSat für die landesweite Ausstrahlung und das französische Pay-TV Canal plus, zunächst für rund ein Dutzend lokaler Frequenzen in Polens größten Städten.
Mit der Lizensierung eines kommerziellen Fernsehens durch Polens neuen Nationalen Rat für Rundfunk und Fernsehen (KRRiT), der aus Vertretern aller politischen Strömungen besteht, ist die Tür zum interessantesten TV-Werbemarkt Osteuropas aufgestoßen. Nach Kalkulationen des Basler Prognos Instituts dürften Polen, Ungarn und Tschechien in wenigen Jahren ein Werbevolumen von rund 18 Milliarden Mark erreichen. Die Hälfte davon wird im Fernsehen verdient werden.
Bisher sahen die zwölf Millionen Fernsehhaushalte in Polen zwei öffentlich-rechtliche Programme. Daneben hatten sich seit der politischen Wende einige kleinere Sender in den Äther geschmuggelt. Seit Juli vergangenen Jahres sind diese jedoch illegal. Um die (noch) knappen legalen Frequenzen bewarben sich im Herbst vor allem die erfolgsgewohnten Branchengiganten: Time-Warner, Ted Turners CNN, Luxemburgs CLT (mit der Nachrichtenagentur Reuters), die agile US-Firma Central European Development Corporation (CEDC) von Ronald Lauder (Sproß der Kosmetikfürstin Estée Lauder) und Mark Palmer (früher Ronald Reagans Ungarn-Botschafter). Desweiteren hatte sich auch Bertelsmann Ufa, operator der zu solchen Zwecken gegründeten deutsch-polnischen OTP, für Polens Privat-TV heftigst empfohlen. Unter anderem sollen, so wußte die Süddeutsche Zeitung, Bertelsmann-Medienvorstand Manfred Lahnstein und der den Güterslohern wohlgesonnene Düsseldorfer Staatskanzleichef Wolfgang Clement in dieser Angelegenheit im März 1993 bei Präsident Walesa vorstellig geworden sein.
Auch Berlusconis Statthalter in Polen, Nicola Grauzo, trachtet nach der Sendelizenz. Er investierte immerhin schon rund 50 Millionen und verbreitet seit einem Jahr über mehr als ein Dutzend Lokalfrequenzen das weitgehend von Berlusconi und der polnischen Filiale von Berlusconis Werbevermarkterin Pubitalia gepushte Privatprogramm Polonia 1.
Mit PolSat erhielt jedoch eine landeseigene Unternehmung den Zuschlag. Sie wird von einem Yuppie dirigiert, wie er für die gewendete, dynamische polnische Wirtschaft typisch ist: Zygmunt Solorz (37) machte schon in den Achtzigern ein Vermögen im Exportgeschäft. Seit zwei Jahren bringt er den Kurier Polski, ein Boulevardblatt in 200.000 Exemplaren, an die Kioske. Im Dezember 1992 stieg Solorz ins Fernsehen ein. Sein zunächst lizensiertes Programm PolSat wird von Eutelsat über Holland abgestrahlt. Anders als Grauzo/Berlusconi holte sich Solorz letzten Herbst aber eine behördliche Genehmigung für die Satellitenverbreitung über Polen. Sie gilt bis zum Jahr 2003 und soll, so der Figaro, etwa 24 Millionen Mark teuer sein. Zur Zeit sendet PolSat täglich acht, am Wochenende zwölf Stunden Vollprogramm. Ab Oktober, so der PolSat-Sprecher, soll nicht nur auf 14 tägliche Sendestunden aufgestockt, sondern das Programm auch in ganz Polen terrestrisch zu empfangen sein.
Die Anlaufkosten werden, wie PolSat mitteilt, auf 80 bis 100 Millionen Dollar geschätzt. Zuviel, selbst für Solorz, auch wenn man in drei bis vier Jahren schwarze Zahlen zu schreiben gedenkt. So geht der Run auf die ausländischen Anleger jetzt in die finale Runde. 33 Prozent ausländische Beteiligung dulden die polnischen Gesetze an einer polnischen Firma. Solorz läßt nach der Devise „Noch ist Polen nicht verloren“ zum Beteiligungspoker bitten. Chancenreiche Kandidaten: Bertelsmanns Ufa und ihre polnische Tochter OTP. Ufa- Osteuropa-Spezialist Manfred Kühn gibt sich diskret: „Wir sind angesprochen worden.“ Er weilte vorigen Donnerstag in Warschau. Ulla Küspert
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