„Alle Vertriebenen sollen zurückkehren können“

■ Bosnische Kroaten wollen Kriegsverbrecher vor Gericht stellen

Wenige Tage vor dem bosnisch- kroatischen Abkommen sprach Erich Rathfelder in Mostar mit dem Ministerpräsidenten des selbsternannten kroatischen Staates Herceg-Bosna, Jadranko Prlić.

taz: Der kroatisch-bosnische Krieg dauert fast ein Jahr, es gab „ethnische Säuberungen“, es gab Verbrechen von Ihrer und von bosnisch- muslimischer Seite; welche konkreten Friedensregelungen sind vor diesem Hintergrund überhaupt möglich? Können zum Beispiel die Vertriebenen zurückkehren?

Jadranko Prlić: Dies ist eine der Bedingungen, die wir aufgestellt haben. Alle Vertriebenen sollen zurückkehren, die Muslime zurück ins herzegowinische Čapljina, die Kroaten zurück nach Zentralbosnien. Aber zuerst müssen wir die politischen Entscheidungen treffen und uns über die Grenzen der Kantone einigen. Es wird eine Art von Föderation geben, über die wir weiterverhandeln müssen, es wird eine gemeinsame Regierung geben in Sarajevo. Mostar allerdings muß zu Herceg-Bosna gehören.

Wenn die Flüchtlinge in ihre Heimatorte zurückkehren sollen, müssen sie gleichzeitig Sicherheitsgarantien erhalten. Allein im Bezirk Čapljina hat Ihre Seite über 8.000 Muslime brutal vertrieben.

Wenn die kroatischen Vertriebenen bei der Rückkehr keine Probleme haben werden, dann werden auch die muslimischen keine haben. Übrigens waren es die kroatischen Flüchtlinge, die in Mostar die größten Schwierigkeiten mit den Muslimen hatten. Dies ist verständlich: Ein kroatischer Flüchtling aus Zentralbosnien etwa, der von den Muslimen vertrieben wurde, kam nach Mostar und sah Muslime, die ohne Probleme in Mostar leben konnten. Das hat Unfrieden gestiftet.

Wie wollen Sie aber eine Garantie für die Sicherheit geben?

Wir akzeptieren jegliche internationale Oberaufsicht.

Ihre Polizei hat Verbrechen begangen, was soll mit den Leuten geschehen, die schuldig wurden?

Wir werden die Polizei und die Militärpolizei von diesen Elementen säubern.

Werden die Verantwortlichen vor Gericht gestellt?

Ja, alle.

Aber wenn diese erklären, sie hätten nur die Befehle von Herrn Prlić erfüllt?

Jeder, der diesbezügliche Befehle gab, wird angeklagt.

Sie haben dies nicht getan?

Ich habe es nicht getan, auch meine Regierung nicht.

Aber Sie taten auch nichts, um es zu verhindern.

Wir versuchten, es zu verhindern. Aber wir konnten es nicht.

Wieso haben Sie das Rote Kreuz erst am 3. September in die Lager Dretelj und Gabela gelassen? Zwei Monate nach deren Gründung?

Sie können sagen, was Sie wollen, ich erinnere mich nicht. Ich stimme mit Ihnen überein, daß dieses Problem ein großes ist. Ich komme aus Mostar, und ich hatte einige Reputation in dieser Stadt. Was bei uns geschehen ist, war nicht notwendig. Wir hatten hier einige spontane Aktionen gegen die Muslime. Dies war aber keine Entscheidung meiner Regierung. Es war nicht systematisch. Diese Art der Isolierung der männlichen muslimischen Bewohner hatte die Armee vorgeschlagen, sie glaubte, diese würde nur eine Woche lang notwendig sein, das war eine Fehlkalkulation. Diese Leuten waren nicht unter der Kontrolle unseres militärischen Hauptquartiers. Jetzt aber haben wir die Kontrolle zurückgewonnen. Wir haben im September und Oktober 3.600 Männer freigelassen, nur in Heliodrom gibt es noch Gefangene.

Ich muß auf das blutige Aprilwochenende und auf das Massaker von Ahmici zurückkommen. Wissen Sie jetzt, wer es war, werden diese Leute verurteilt?

Ich denke, sie werden verurteilt. Ich weiß aber nicht, wer es war, fragen Sie meinen Justizminister.

Ist es richtig, daß ein britischer Freiwilliger die Gruppe anführte?

Wir haben einige Informationen darüber. Vor Abschluß der Untersuchungen darf ich jedoch keinen Namen nennen.

Wenn Sie sich jetzt mit der bosnischen Regierung auf eine Föderation einigen konnten, dann stellt sich doch die Frage, warum Sie die Übereinkunft nicht von Beginn an versucht haben, anstatt einen sinnlosen Krieg zu führen, der nur den serbischen Nationalisten nützte.

Die Muslime, vor allem Präsident Izetbegović, wollten einen Einheitsstaat erhalten. Die jetzt vorgeschlagene Föderation ist aber etwas anderes. Nun haben wir Kroaten in einem Teil Bosnien- Herzegowinas Souveränität.

Sie wollen also an einem Staat Herceg-Bosna festhalten?

Irgendwie, ja.

Aber nicht, wie es jetzt ist?

Vielleicht ja, vielleicht nein.