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Bloß nicht denken!

■ Der Jazzpianist und Komponist Joachim Kühn in der Passionskirche

„Wenn ich dann 50 bin, setze ich mich zur Ruhe“, versprach der Pianist und Komponist Joachim Kühn noch vor zwei Jahren. Am 15.3. steht das anvisierte Datum nun ins Haus – nach 150 LPs und einer Auf-und-ab-Karriere durchs globale Musikdorf gewichtiger Anlaß für den Fast-Halbhunderter, sich zu zeigen und hören zu lassen.

Seit 1961 nennt Kühn sich professioneller Jazzmusiker. Vorher studierte er Klavier und Komposition in der traditionsreichen Ostmetropole, spielte Schumann, Bach und Dixieland. Sein erstes Trio, 1964 gegründet, machte dann bereits auf europäisch-free – allerdings noch im Mauerstadium mit Polenfreifahrt. Bei einem internationalen Nachwuchswettbewerb für modernen Jazz, den Friedrich Gulda in Wien organisierte, setzte sich Kühn dann 1966 nach Hamburg ab. Spielte Free Jazz bei den Berliner Jazztagen, beim Newport Jazz Festival und auf einer Platte für das renommierte Impulse-Label mit dem John-Coltrane-Bassisten Jimmy Garrison. 1967 zog Kühn nach Paris.

Dorthin emigrierten in jenen Tagen auch unzählige amerikanische Jazzer. Gato Barbieri, Don Cherry, Slide Hampton, Philly Joe Jones und Phil Woods waren da, und Kühn spielte mit ihnen. Und dann kam die Fusion-Phase. Jean- Luc Pontys Experience und Association P.C. Kühn wurde Keyboarder, kam ganz groß raus, wähnte sich hip, machte Kohle und die amerikanische Erfahrung. Mitte der Siebziger lebte er in Kalifornien und New York, machte Platten mit Michael Brecker und Billy Cobham und war auch bei Joe Hendersons LP „Black Narcissus“ dabei.

„Als ich in Amerika wohnte, konnte ich mich dem Einfluß der Medien nicht 100prozentig entziehen. Und die Musiker um mich herum sprachen nur auf dem Wie- viele-Platten-verkaufst-du-Niveau miteinander. Hier willst du zuerst einmal gute Musik auf Platte bannen. Aber damals in Amerika wollte ich es erleben, in die Charts zu kommen, und gleich die erste Platte wurde ein Verkaufserfolg, doch die nächste war ein Flop. Die Amerikaner machen fast durch die Bank diesen Kompromiß, weil ihnen oftmals auch nichts anderes übrigbleibt. Und vielleicht gibt es deshalb auch keine neuen Coltranes! Ich habe das Gefühl, sie müssen ans Geld denken, während sie spielen. Entweder sie spielen Standards oder sehr easy going, mit einem kleinen Back Beat, Jazzrock, bewußt simpel“, resümiert Kühn seine Amerika-Erfahrung später in der Zeitschrift Jazzpodium.

1981, wieder zurück in Hamburg und Paris, beginnt Kühn nur noch akustisch zu spielen, und zwar auf Konzertflügeln der Firma Bechstein. Dafür wird er von europäischen Jazzjournaillen wiederholt als bester kontinentaler Jazzpianist gefeiert, in der Zeitschrift Hi-Fi-Vision macht er 1992 gar als Jazzmusiker des Jahres noch vor Keith Jarrett das Rennen. „Wenn ich solo spiele, versuche ich total frei zu spielen. Der Idealzustand beim Spielen ist der, wenn man nicht denkt. Das sind dann die Momente, von denen du lebst.“ Christian Broecking

Heute, 20 Uhr, Passionskirche, Marheinekeplatz, Kreuzberg

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