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Genossenfilz um die Bremer „Schwarzwaldklinik“

■ Haftstrafe für den Ex-Chef von Bremer Klinik wegen Untreue und Bestechlichkeit

Bremen (taz) – Aribert Galla ist in Bremen ein stadtbekannter Mann, der schon immer einen Hang zum Großen hatte. Erst war er Verwaltungsdirektor des größten Bremer Krankenhauses, dann die Hauptfigur einer der größten Bestechungsaffairen der Stadt und nun Angeklagter in einem der umfangreichsten Strafverfahren, das die Bremer Justiz je angestrengt hat. Der ehemalige Verwaltungsdirektor des St.-Jürgen-Krankenhauses mußte sich in den letzten Wochen wegen des Schmiergeldskandals in der Bremer „Schwarzwaldklinik“ verantworten: Fortgesetzte Untreue und Bestechlichkeit, lautete die Anklage. Die 4. Große Strafkammer des Bremer Landgerichts sprach Galla vorgestern schuldig: Drei Jahre und neun Monate, lautete das Urteil.

Von 1976 bis 1978 war Aribert Galla der Verwaltungschef des Zentralkrankenhauses, der mit 1.500 Betten und 3.300 Beschäftigten mit Abstand größten Bettenburg Bremens. Dort schaltete und waltete Galla nach Aussagen eines Gutachters „nach Gutsherrenart“: Galla kümmerte sich nicht um Dienstvorschriften und Beschaffungsrichtlinien, sondern finanzierte den Krankenhausbetrieb munter am Haushalt vorbei. Er verkaufte Blutkonserven des Krankenhauses und ließ Rabatte und Rückzahlungen von Zulieferfirmen in „graue Kassen“ laufen. Diese geheimen, aber in der Klinik bekannten „Tütenkassen“ wurden für Investitionen im Krankenhaus benutzt: ein Verstoß gegen Dienstvorschriften und Haushaltsrecht, aber zur Finanzierung von Krankenhäusern durchaus nichts Ungewöhnliches, wie Zeugen vor Gericht versicherten.

Doch Aribert Galla ging noch einen Schritt weiter. Von den Firmen, die Aufträge für die Klinik erhielten, forderte und erhielt er Provisionen, die er auf geheime persönliche Konten auf der englischen Kanalinsel Jersey leitete. Mehr als eine Million Mark brachte Galla so auf die Seite, bis er 1987 aus „gesundheitlichen Gründen“ den Hut nehmen mußte. Erst Veröffentlichungen der taz lösten eine öffentliche Beschäftigung mit der Schmiergeldpraxis in der Klinik und der Verstrickung von SPD-Gesundheitsbehörden und Partei aus. Neben kleineren Lichtern trat der ehemalige Gesundheitssenator Brückner als Landesvorsitzender der SPD zurück, ein Untersuchungsausschuß versuchte über mehr als zwei Jahre, Licht ins Dunkel des Krankenhausfilzes zu bringen.

Über diesen politischen Aspekt der Galla-Schmierereien ist Bremen auch nach dem Prozeß nicht schlauer. Aribert Galla belastete in seiner Aussage seinen damaligen Genossen, SPD-Gesundheitssenator Brückner, schwer: Der habe ihn in der Klinik erst auf die Idee mit der „Drittmittelfinanzierung“ gebracht und alles in die Wege geleitet. Von den Schmiergeldern, so der angeklagte Ex-Sozi Aribert Galla, sei ein Teil auch direkt an die Partei gegangen.

Herbert Brückner, der Senator im Ruhestand, bestritt alle diese Vorwürfe. „Ich habe nie von irgendwelchen grauen Kassen gewußt, das wäre ja illegal gewesen“, meinte er vor Gericht. Alles andere, sagte der Ex-Senator seinem Ex-Genossen und Ex-Duzfreund Galla ins Gesicht, sei eine „unverschämte Lüge“. Der wiederum bestritt den Vorwurf der Untreue. Mit einer Ausnahme von etwa 200.000 Mark, die er sich in einer „schwierigen persönlichen Lage“ genommen habe, sei das Geld in Jersey nicht angerührt worden.

Das Gericht glaubte dem Angeklagten, daß er die Bremer „grauen Kassen“ für die Klinik verwandt hatte, nicht aber seine ehrenwerten Motive bezüglich der Jersey-Konten. Insgesamt ist dem Land Bremen durch Galla ein Schaden von etwa 900.000 Mark entstanden. Der Prozeß beschäftigte sich mit den Vorwürfen gegen Galla, aber nicht mit der Aufarbeitung der Filz-Vergangenheit. Richter und Staatsanwalt waren sichtlich bestrebt, das Verfahren schnell hinter sich zu bringen. Nach sechs Jahren Ermittlungen, dem Verschleiß von drei Staatsanwälten und der Durchsicht von 30.000 Seiten Akten wurde im Verfahren ein Teil der 400seitigen Anklage wegen Verjährung eingestellt, die krankenhausinternen „grauen Kassen“ aus den Vorwürfen gestrichen: zu deutlich war es, daß diese Umwegfinanzierung nicht strafbar war.

Das Unbehagen an der begrenzten Wahrheitsfindung äußerte der Vorsitzende Richter Kurt Kratsch bei der Urteilsbegründung: Galla habe als Mitglied der „Partei, die Bremen beherrscht“, in einem „Beziehungsgeflecht von Staat und Partei“ gearbeitet, das eine demokratische Kontrolle durch Parlament oder Gesundheitsbehörde verhindert habe. Die Bremer „Vermischung von Staat und Partei“ habe eine „zweite, informelle Struktur geschaffen“, die den Eingeweihten Aufstiegschancen bot. „Der Mangel an Dienstaufsicht“, so Richter Kratsch, sei auch darauf zurückzuführen, daß „die Parteien sich den Staat längst zur Beute gemacht haben“. Bernhard Pötter

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