: Am Busen der Urlaubsmacher
Die unberechenbaren Gefahren der Ferne und die Freuden der Urlaubszeit ■ Von Edith Kresta
Wenn Touristen zur Zielscheibe politisch oder sozial motivierter Anschläge werden, platzt die heile Urlaubswelt wie eine Seifenblase. Natürlich sind solche Anschläge ein brutaler Akt der Gewalt; aber daß dadurch der ganze Wirtschaftszweig eines Landes stagniert und es in touristische Ungnade fällt, liegt an der immanenten Logik der touristischen Veranstaltung selbst. Eine Logik, die nur den Zuckerguß eines Landes wahrhaben will. Wird dieser Zuckerguß in irgendeiner Form angekratzt, klappt das Geschäft mit dem Urlaub nicht mehr.
Die Tourismusindustrie funktioniert wie jede andere Industrie auch. Im organisierten Tourismus ist das Land die Ware, die gehandelt wird. Und Sie kaufen ja auch kein Auto, das einen Kratzer hat. Ob Sie heute Miami buchen und morgen Mallorca, ist ziemlich austauschbar. Denn Ihren Urlaubshunger sättigen beide gleichermaßen mit den Inhaltsstoffen Erholung, Entspannung, Vergnügen, Abschalten – kurz: einer schönen Gegenwelt zum häßlichen Alltag. Doch diese Gegenwelt verträgt die triste Realität vieler Zielgebiete nicht. Und Gewaltakte gegen Touristen tragen diese Realität nun mal gnadenlos und unumgänglich ins fröhliche Urlaubsleben hinein.
Was liegt bei dieser Logik des Tourismus näher, als die Touristen immer stärker vor der realen Welt zu bewahren und in nach allen Bedürnissen abgeklopften und abgeschotteten Anlagen unterzubringen? Nichts, denn genau das ist der Trend. Nicht nur soziale und politische Häßlichkeiten eines Landes bleiben so draußen vor der Ferienanlage, auch ökologische Probleme lassen sich in der Anlage wundersam entsorgen und dann vor der Tür abladen. Die Anlage ist nach innen sauber, der Dreck wird der Außenwelt überlassen. So können die Urlauber ungestört und ökologisch unbedenklich ihrem Erholungs- und Abschaltbedürfnis nachgehen. Denn dazu ist der Urlaub ja da, oder? Die vielbeschworenen Urlaubswünsche sind in ihrem Kern nicht viel mehr als ein bißchen Sichgehenlassen, umsorgt und befriedigt zu werden. Dabei ist die Anlage wie eine Mama, die den Urlaubshunger des Ingenieurs aus Düsseldorf genauso stillt wie die Reiselust der Aerobic treibenden Hausfrau.
Daß man beim Sichgehenlassen gern in vertrauter Umgebung weilt, ist ganz klar. Das fremde Land, die fremden Menschen sind allenfalls nette Kulisse und folkloristisches Einsprengsel bei dem fröhlichen Treiben. Am liebsten ruht man sich aus im Hausgemachten. Dazu gehört das heimatliche Mahl zwischendrin genauso wie die Verständigung in der eigenen Sprache. So lockt das Abenteuer am Busen der Tourismusindustrie mit dem abgesicherten Exotiktrip in touristische Großanlagen: mit nachgebesserter Urlaubsidylle in fernen Gefilden, gestylten Tropen unter riesigen Glaskuppeln vor der Haustür und perfekten Scheinwelten vom römischen Dorf bis zur mittelalterlichen Stadt. Der Tourist, der diese Erlebniswelten bucht, hat die Verantwortung für sich und seinen Urlaub mit der Bezahlung im Reisebüro abgegeben. Der Veranstalter suggeriert ihm dafür Sicherheit und die Erfüllung auch der geheimsten Urlaubswünsche.
Die satte Grinsewelt Urlaub läßt uns an der Hand der Urlaubsmacher lustvoll regredieren. Sie kommt unseren banalsten und intimsten Bedürfnissen nach Entspannen, Abschalten und Ausruhen entgegen. Unsere Sehnsucht nach menschlicher Nähe wird dort durch Dichte ersetzt. Noch bevor wir dabei kollektiv unseren kindlichen Spieltrieb wiederentdecken, haben wir ihn schon ausgelebt. Nach allen Aspekten des Erlebniskonsums ausgeleuchtete Ferienwelten kitzeln unsere verschütteten Sinne. Die werden zwar davon auch nicht lebendiger, aber sie lassen sich auf diese Weise hervorragend vermarkten. In abgeschlossenen, abgesicherten Erlebnisräumen sollen wir ungestört ein bißchen Entlastung konsumieren.
Doch der ungebrochene Trend zur Großanlage wird uns natürlich nicht als rationalisierte Form des Tourismusgeschäfts verkauft. Unternehmer und Freizeitwissenschaftler definieren die Ferienghettos wie Center Parcs vor der Haustür oder die abgeschlossenen Großanlagen im Ferntourismus als Schutz der Restnatur und gar als Schutz der einheimischen „Rest“- Kultur.
Und da in aller Welt Gefahren auf Touristen lauern, sind sie natürlich auch der ultimative Schutz für Ihren Urlaub: denn hinter der abgeschirmten Großanlage lacht immer die Sonne. Und wenn sie nicht scheint, wird sie eben produziert. Garantiert hautschonend.
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