Clinton rüstet zum Handelskrieg

■ Japan soll zum Importieren gezwungen werden / Die Super-301-Klausel gegen „unfaire Handelspraktiken“ wirkte in der Vergangenheit durch Abschreckung

Washington/Tokio (taz/AFP/ dpa) – Für den Handelskrieg gegen Japan hat US-Präsident Bill Clinton das schwerste Geschütz aus der Waffenkammer aufgefahren. Nach einem Telefongespräch mit Japans Ministerpräsident Morihiro Hosokawa erneuerte Clinton die Super-301-Klausel, nach der die USA Handelssanktionen gegen andere Staaten verhängen können, die „unfairer Handelspraktiken“ beschuldigt werden.

Die Clinton-Regierung wirft Japan vor, seinen Markt für Importe aus den USA abzuschotten und die ausländische Konkurrenz zu diskriminieren. Besonders in den Bereichen Kraftfahrzeuge, Kommunikations- und Medizintechnik, in denen die USA besonders viel aus Japan einführen, ist umgekehrt der japanische Markt dicht. Beispielsweise gingen 1991 im Telekommunikationssektor nur fünf Prozent aller öffentlichen Aufträge in Japan an ausländische Anbieter, während es in Deutschland 22 Prozent waren.

Insgesamt kauften US-Amerikaner 1993 für 105,4 Milliarden Dollar japanische Waren, Japaner aber nur für 55,2 Milliarden Dollar USA-Produkte. Im Januar hat der japanische Überschuß 6,8 Milliarden Dollar betragen. Das ist ein Anstieg um 30 Prozent im Vergleich zum Januar 1993, aber deutlich weniger als der Überschuß von 12,6 Milliarden Dollar im Dezember.

Die Waffe Super-301, 1988 vom US-Kongreß für zunächst zwei Jahre beschlossen und Ende 1990 wieder eingemottet, soll nun die Marktöffnung erzwingen. Die Klausel verlangt von der US-Regierung, jährlich eine Liste unfairer Handelspraktiken in einzelnen Ländern vorzulegen, die vermeintlich US-Exporte diskriminieren. Die USA sollten dann mit diesen Handelssündern Verhandlungen führen. Falls die Probleme nicht innerhalb von 18 Monaten zur Zufriedenheit der USA gelöst werden, kann die US-Regierung Sanktionen verhängen – etwa Zölle von 100 Prozent auf ausgewählte Importe aus dem Land, das sich nicht den US-amerikanischen Forderungen gebeugt hat.

Super-301 war bereits erfolgreich, ehe überhaupt die erste Liste veröffentlicht worden ist: Taiwan und Südkorea machten nach langanhaltenden Handelskonflikten Zugeständnisse, um nicht auf die Liste zu kommen. Die erste im Mai 1989 veröffentlichte Tabelle zielte auf Japan, Brasilien und Indien. Die anschließenden Verhandlungen brachten Konzessionen von japanischer Seite bei den Halbleitern und von Brasilien beim Problem der Importlizenzen. Indien sträubte sich gegen Verhandlungen und erschien prompt wieder bei der zweiten (und letzten) Aufzählung von Handelssündern im Jahr 1990. Die Regierungen in Washington und Neu-Delhi einigten sich dann aber, auf multilateraler Ebene weiterzuverhandeln. Somit wurden unter der Super-301-Klausel bisher noch nie Sanktionen verhängt.

Auch jetzt soll Super-301 vor allem der Abschreckung dienen. Die für US-Exporteure besonders schädlichen Handelspraktiken sollen am 30. September öffentlich aufgelistet werden. Zuvor, am 31. März, will die US-Regierung im Jahresbericht über Handelsbarrieren einzelner Länder erste Erkenntnisse über potentielle „Kandidaten“ für die Vergeltungsmaßnahmen nennen.

Die japanische Regierung äußerte sich nach der Ankündigung „besorgt“. Hosokawa schloß eine umgehende Retourkutsche jedoch aus und wies gestern Regierungsmitglieder an, der Öffnung des Marktes für Telekommunikationsausrüstungen höhere Priorität zu geben. Außerdem verfügte er eine Abschaffung von Vorschriften, die den Zugang ausländischer Firmen zum japanischen Markt behindern.

Der US-Handelsbeauftragte Mickey Kantor betonte zwar vor Journalisten in Washington, die Entscheidung sei nicht spezififisch gegen Japan gerichtet. Zugleich unterstrich er jedoch, Japan sei „das wichtigste Industrieland, das seine Märkte abschottet“.

In der japanischen Industrie wurde die Anordnung Clintons mit Bedauern aufgenommen. Nach Ansicht des Vorsitzenden des Dachverbandes der Wirtschaftsorganisationen, Gaishi Hiraiwa, verstößt der Super-301 gegen den Grundgedanken des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (Gatt) für den freieren Welthandel. Im Gatt-Büro in Genf wurde diese Auffassung gestern nicht geteilt. Die USA würden „noch nicht“ gegen das Welthandelsabkommen, das im April auf einer Ministerkonferenz von 116 Staaten unterzeichnet werden soll, verstoßen, sagte Gatt-Sprecher David Woods. Es gebe auch keine Hinweise, „daß die USA beabsichtigen, ihren Gatt-Verpflichtungen nicht nachzukommen“.

Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt äußerte „Verständnis und Unterstützung“ für die amerikanische Forderung, den japanischen Markt stärker zu öffnen. Er kritisierte vor allem die starke Vernetzung der japanischen Industrie mit dem Handel. dri

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