: Hänsel-und-Gretel-Pfad zur Kunst
■ Kampnagel: Eine Ausstellung ohne Titel zeigt Hamburger Künstler und Künstlerinnen auf K3
Da sitzt am Eingang der Künstler auf seinem Schaukelstuhl und seine Objekte um ihn herum. Leise erklingt das Pasadena Roof Orchestra und einzelne Arbeiten schweben über die Idylle hinaus und besetzen den Raum. Der Künstler schaukelt gedankenverloren über der Lektüre des Kunstforums. Diese nicht nur farblich schwarze Inszenierung ist die ironische Darstellung des aktuellen Kunstbetriebs durch Wolfgang Oppermann in einer neuen Version seiner stets kritisch kommentierenden kinetischen Klanginstallationen. Sie ist Teil einer neuen Ausstellung auf K3, zu der sich sieben Hamburger Künstler und Künstlerinnen zusammengefunden haben. Ihre Zusammenkunft verweigert sich eines Themas, ja sogar ein Titel für die Ausstellung ist auch auf den dritten Blick nicht zu erkennen. Die persönliche Verbindung von sieben Individualisten reicht als Grund völlig. Jochen Krügers Installation etwa besteht aus verschieden typographierten, teils gerahmten teils an die Wand geschriebenen Worten und einem Komma: Der Bäcker, der Melker und ich – wochenlang. Tagebuch einer Beziehung, Poesie oder formalisierte Kunst?
Auch die frischgebackene Hamburg-Stipendiatin Anette Wehrmann stellt hier aus: Sie legt sich mit den Scheinidyllen des Alltags an, verärgert den Bürger mit Betonblumenkästensprengungen und versüßt die Ausstellung mit einem Hänsel-und-Gretel-Pfad in die Kunst: Kiloweise Smarties, eigenhändig beschriftet, formen bunte Spuren zu neuer Wahrnehmung.
Wesentlich ernster sind die Labyrinthe, die Klaus Hohlfeld erstellt. Architekturpläne und detaillierte Diagramme entwickeln ein Eigenleben, ihre Zeichenwelt ist mit den üblichen Methoden der Modellbildung nicht lesbar. Maschinen, Schalter, Kabel, präzise Maßzahlen und genaue Formen bleiben selbst da noch rätselhaft, wo sie im Raum realisiert sind. Tätowierungsentwürfe und eigene Texte laden darüber hinaus ein, der höchst eigenen Welt des Künstlers eine Bedeutung zu geben.
Abstrakte Farbkunst mit verborgenem Sinn zeigt Sabine Mohr. Doch bei ihr ist das Geheimnis leichter zu entschlüsseln. Ihre 3 mal 4 Meter große, bunte Wandarbeit bezieht ihre Ästhetik aus genauer Instrumentalisierung der Farben. Es sind die Markierungen ihres Jahresplaners, orange beispielsweise bezeichnet die Tage, an denen sie sich mit Kunst befaßte. Diesem monumentalisierten Stundenplan stehen die düster schematischen Kugelschreiberzeichnungen von Michael Deistler gegenüber.
Kunst? Kunst. Den Adriadnefaden zum Verständnis muß auch hier jede(r) selbst mitbringen. „Tür zu!“ brüllen die Schriftzüge von Jochen Krüger noch nach.Hajo Schiff
Do-So 16-20 Uhr, bis 27. März
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