: Tunnel durch den Europudding
■ „Morlock“: Letzter Fall des nadelgestreiften Umweltengels
Nachdem unser smarter Unternehmensberater Carl Morlock alias Götz George in der Vergangenheit schon bei diversen Schweinereien des bösen Großkapitals seinen aufrechten Mann gestanden hat, verschlägt ihn sein letzter Auftrag in die Pyrenäen. Dort soll er im Auftrag eines deutschen Bankenkonsortiums die Arbeiten an einem Autobahntunnel zwischen Frankreich und Spanien wieder in Gang bringen.
Dabei gerät Morlock im idyllischen Aspe-Tal mit einer bunten Schar von Umweltschützern aneinander, die das Projekt mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Erst gehen ein paar Bagger in Flammen auf, und dann entgeht Morlocks Freund und Mann fürs Grobe, Leon Baal, nur knapp einem Attentat. Doch bei seinen Erkundungen stößt Morlock auf Indizien, die auf ganz andere Täter und Interessen deuten. Was „Kapitalisten-Carl“ schließlich dazu veranlaßt, mit fliegenden Fahnen ins grüne Lager überzulaufen ... Inszeniert hat diesen Öko-Krimi der französische Kinoprofi Yves Boisset. Was allerdings nicht verhindert hat, daß das Ganze nur leidlich spannend daherkommt und vor allem die Umweltschützer für unfreiwillige Komik sorgen. Nun mögen Pyrenäentäler etwas vom Schuß liegen, aber daß Öko-Aktivisten dort noch so aussehen, als hätten sie sich schnurtracks von Woodstock aus dorthin begeben und seitdem die Wäsche nicht mehr gewechselt, fällt schwer zu glauben. Und auch die Parolen, die sie skandieren („Schafe her, Laster weg! Nein zum Tunnel!“), dürften in natura allenfalls dazu angetan sein, auch die letzten dort freilebenden Bären entsetzt Reißaus nehmen zu lassen.
Aber der spannendere Film scheint ja ohnehin hinter den Kulissen gespielt zu haben. Denn weil jener Tunnel auch im wirklichen Leben ein seit Jahren heftigst umstrittenes Projekt ist, ließen die örtlichen französischen Behörden nichts unversucht, die Dreharbeiten zu behindern. Schließlich hatte die neue konservative Regierung in Paris für den Autobahnbau gerade erst wieder grünes Licht gegeben, nachdem ein Verwaltungsgericht 1992 die Buddelei vorübergehend gestoppt hatte.
Daß Carl Morlock nun nach nur vier von sechs ursprünglich geplanten Folgen den Löffel abgibt, hat allerdings einzig mit der Fernsehwirklichkeit zu tun: Tunnel hin, Tunnel her, angesichts eines Götz George war die Quote bei den ersten drei Episoden bei weitem nicht so, wie von WDR und SDR erhofft. Darüber hinaus wird mit Morlock auch ein vermeintlich zukunftsweisendes Produktionsmodell erst einmal wieder begraben. Zumindest WDR-Fernsehspielchef Gunther Witte will nach diversen Querelen um Darsteller und Sendeplätze – an „Morlock“ waren auch französische und italienische Sender beteiligt – von einem vereinten Fernseheuropa nichts mehr wissen: „Nach diesen Erfahrungen mit der internationalen Zusammenarbeit bin ich eher skeptisch“. Reinhard Lüke
„Morlock“, 20.15 Uhr, ARD
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