: Noch „Independent“?
Die Übernahme-Schlacht um die britische Tageszeitung ■ Von Ralf Sotscheck
Dublin (taz) — Der Kampf um die Übernahme der britischen Zeitungen Independent und Independent on Sunday, der seit vergangenem Monat mit harten Bandagen ausgetragen wird, steht kurz vor der Entscheidung. Handelsminister Michael Heseltine will sich noch in dieser Woche festlegen, ob ein Konsortium unter Führung der Mirror-Gruppe, das bereits 47 Prozent der Independent-Anteile kontrolliert, für 74,7 Millionen Pfund die Mehrheit übernehmen darf. Verweist Heseltine den Fall jedoch an das Kartellamt, so würde sich der Deal um zwei Monate verzögern. Diese Zeit hat der Independent aber nicht mehr, weil ihm das Wasser bis zum Hals steht.
Wichtigste Partner in dem Konsortium sind die italienische La Republicca und die spanische El Pais, die zusammen bereits 37 Prozent der Independent-Aktien besitzen. Widersacher des Konsortiums ist der irische Medienzar Tony O'Reilly, der im Februar überraschend 29,9 Prozent Independent- Anteile an der Börse zusammenkaufte und damit größter Einzelaktionär ist. Dennoch blockierte das Mirror-Konsortium bisher die beiden Aufsichtsratsposten, die O'Reillys Unternehmen normalerweise zustehen würden. „Wir laden doch niemanden zum Essen ein, der die Haustür eintritt“, sagte Mirror-Chef David Montgomery, der O'Reilly vorwirft, sein Konzept für die Rettung der beiden Zeitungen über den Haufen geworfen zu haben. „Er bekommt eine Einladung zur Jahreshauptversammlung, wo wir ihm sogar Tee und Kekse anbieten werden – aber das ist auch alles.“
Der Independent und Independent on Sunday machen seit über einem Jahr hohe Verluste. Zu seinen besten Zeiten im Jahr 1989 verkaufte der Independent 422.679 Exemplare, im letzten Monat waren es nur noch 286.000. Die Verkaufszahlen für den Independent on Sunday sind im Laufe des vergangenen Jahres um 50.000 auf 350.000 zurückgegangen. Genauso schnell sank auch der Ruf von Andreas Whittam Smith, der das Unternehmen 1986 gegründet hatte. Die hauseigenen JournalistInnen geben dem 56jährigen Herausgeber hinter vorgehaltener Hand die Schuld für den Niedergang der beiden Qualitätszeitungen, die so erfolgreich gestartet waren. Sie kritisieren vor allem seine Überlebensstrategien. So versuchte Whittam Smith im vergangenen Jahr, den Observer zu kaufen, um den lästigen Konkurrenten danach dichtzumachen, zog jedoch gegen die Offerte des Guardian den kürzeren. Umstritten ist auch Whittam Smiths positive Stellungnahme für das Angebot der Mirror-Gruppe. Er hat seine Anteile von elf Prozent in das Konsortium eingebracht. Während Whittam Smith sich zuversichtlich gibt, daß Montgomery seine Zusagen einhalten werde, befürchten die JournalistInnen des Independent, daß es mit der redaktionellen Unabhängigkeit bald vorbei sein wird. Sie behaupteten am Samstag, das Angebot des Konsortiums beinhalte eine Klausel, wonach alle Konsortiums-Mitglieder in Zukunft bei sämtlichen Fragen gemeinsam stimmen müssen. Weigert sich ein Mitglied, so muß es seine Anteile an die anderen verkaufen. Die Angestellten des Independent befürchten, daß sich Montgomery ebenso rücksichtslos durchsetzen und unliebsame Personen entlassen wird, wie er es nach seiner Übernahme der Mirror-Gruppe getan hat. Auch damals hatte er versichert, er werde sich nicht in die Redaktionspolitik einmischen und keine Jobs streichen. Tony O'Reilly verlangte am Wochenende Klarheit über „geheime Absprachen“ zwischen dem Mirror sowie El Pais und La Republicca. Er versucht, dadurch Druck auf Heseltine auszuüben, damit der Handelsminister die Mirror-Übernahme entweder stoppt oder zumindest Auflagen macht, die den Einfluß der Mirror-Gruppe auf ein Minimum reduzieren. Gibt Heseltine dagegen grünes Licht, muß sich O'Reilly entweder mit einer untergeordneten Rolle begnügen oder ein höheres Gegenangebot für die Aktienmehrheit machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen