piwik no script img

Bauwagen machen mobil

■ BauwagenbewohnerInnen-Demo an der Moorweide / Die GAL fordert die Aufhebung des Wohnwagengesetzes von 1959 Von Marco Carini

Im Wagen leben heißt Leben wagen. Unter diesem Motto machten sich gestern mittag mehr als zwei Dutzend Bauwagen, ausgediente Imbißbuden auf Rädern und ehemalige Zirkusgefährte auf Rädern zur Moorweide auf. Ihr Programm: abends Fete, morgens Demo. Ab 10 Uhr wollen heute die Wagenburgen Felidae und Henriette, die Nutzer des Wagenplatzes in der Gaußstraße und viele andere BauwagenbewohnerInnen von der Moorweide aus quer durch die Innenstadt in Richtung Gänsemarkt ziehen. Zur Abschlußkundgebung, die zwischen 12 und 13 Uhr geplant ist.

„Wir wollen hier kein Mitleid schinden, sondern die Anerkennung unserer selbsterwählten Lebensform fordern, die auch ein Schritt gegen die Obdachlosigkeit ist“, erzählt einer der Bauwagenbewohner. Die Wagenburgen wollen deshalb, „daß Bauwagenplätze ein Teil jeder Stadtteilkultur werden“ und „Freiflächen, die anderweitig nicht von der Öffentlichkeit genutzt werden, als Bauwagenplätze zur Verfügung stehen“. Ihr größtes Anliegen: Die Abschaffung des Wohnwagengesetzes von 1959, das das Leben im Bauwagen verbietet.

Diese Forderung will auch die GAL auf der nächsten Bürgerschaftssitzung am 24. März aufstellen. „Durch das Wohnwagengesetz werden BauwagenbewohnerInnen kriminalisiert“, klagt die baupolitische Sprecherin der GAL-Fraktion, Susanne Uhl. Der Senat müße endlich anerkennen, daß für immer mehr Menschen „der Bauwagen „die einzige Alternative zur Obdachlosigkeit“ sei. Doch selbst wenn Grundstücksbesitzer, wie Unternehmen mit ungenutzen Parkflächen, oder Kirchengemeinden bereit sind, Bauwagen aufzunehmen, bleibe das Wohnen auf Rädern auch dort illegal.

Des weiteren setzt sich die GAL in ihrem Antrag dafür ein, daß sämtliche Hamburger Bezirke „mindestens ein Grundstück in zentraler Lage als Bauwagenplatz zur Verfügung zu stellen“. Chancen aber hat der GAL-Vorstoß nicht, obwohl sich auch die SPD-Fraktionen in Altona und Eimsbüttel dafür aussprachen, das Wohnwagengesetz in den verdienten Ruhestand zu schicken. Auch entsprechende parteiinterne Vorstöße der SPD-Bürgerschaftslinken Jan Ehlers und Günter Mertens liefen in der Vergangenheit mit schöner Regelmäßigkeit ins Leere.

Zwar stellte der Senat dem ersten offiziellen Bauwagenplatz in der Gaußstraße Gelder für Sanitärcontainer zur Verfügung, doch die gesetzliche Handhabe gegen die Wagenburgen will er sich nicht nehmen lassen. Denn in der inneren Stadt, in der jede Freifläche heiß umkämpft ist, haben Bauwagen für die Mehrheit der Rathaus-Sozialdemokraten keine Existenzberechtigung. Wenn schon Bauwagenburgen, heißt es dort, dann bitte in den Marschlanden oder im Harburger Raum. Die Betroffenen aber wollen sich „nicht an den Rand drängen lassen“. Sie fordern das Recht, selbst zu wählen, „in welchem Stadtteil sie leben wollen“.

Eine freiere Wahlmöglichkeit täte auch anderen gut. Weil Altona der einzige Bezirk ist, der Bauwagen-Gruppen nach Möglichkeit nicht gleich räumen läßt, flüchten sich fast alle Wagenburgen früher oder später hierhin. Zur Zeit haben rund 65 Bauwagen in dem Bezirk „Asyl“ gefunden. „Unsere Kapazitäten sind erschöpft“, klagt der Altonaer GAL-Chef Olaf Wuttke, „weil wir die gesammte Hamburger Suppe auslöffeln müssen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen