Widerstand gegen die Reise nach rechts

Vor der Wahl des Bundeswirtschaftsministers Günter Rexrodt zum FDP-Chef formiert sich Gegenwehr gegen den Durchmarsch der rechten Liberalen / Bezirken droht Zentralisierung  ■ Von Dirk Wildt

Nach der Figaro-Affaire und dem anschließenden Rücktritt Carola von Brauns von allen Ämtern ist in der FDP der Ruck nach rechts offenbar nicht mehr aufzuhalten. Der stellvertretende Landesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt wird am kommenden Freitag nicht nur zum neuen Landesvorsitzenden gewählt, den dadurch frei werdenden Stellvertreterposten soll ebenfalls ein Wirtschaftsliberaler bekommen. Der Fraktionsvorsitzende Axel Kammholz erwartet die Wahl des Tempelhofer Bezirkschefs Jürgen Wandtke.

Bei der Basis und in der Fraktion gibt es freilich ein Aufbegehren gegen die Wende innerhalb der FDP. Unter anderem hat sich Otto Hoffmann, Abgeordneter und Mitglied des Fraktionsvorstands, gegen den Kandidaten aus Bonn ausgesprochen. Rexrodt sei „in die Disziplin der Bundesregierung eingebunden“ und würde in seiner anderen Rolle als Oppositionsführer unausweichlich in Konflikte geraten. Außerdem vertrete Rexrodt „knallharte marktorientierte Wirtschaftspolitik“, sagt Hoffmann. Dabei müßten nach dem Wahldebakel in Niedersachsen gerade die Ängste der Wähler vor sozialen Verschlechterungen und Arbeitsplatzverlust ernster genommen werden, folgert der parlamentarische Geschäftsführer Jürgen Biederbick. Die niedersächsische FDP, die an der Fünfprozenthürde scheiterte, hätte sich diesem Thema zuwenig angenommen. In der Tat muß sich der Berliner Verband Gedanken über sein Profil machen: Die FDP wollen derzeit nur ein Prozent der BerlinerInnen wählen.

Einen Gegenkandidaten hat das sozialliberale Lager der Partei schon anzubieten. Dort würde man gerne den ehemaligen Umweltsenator Jürgen Starnick ins Rennen schicken. Wenn die Partei ihn brauche, hat der Wunschkandidat angekündigt, wäre er auch bereit. Doch gegen Rexrodt will Starnick nicht antreten – weil eine Niederlage als sicher gilt. Deswegen wollen die Linken wenigsten bei der Besetzung von Rexrodts Stellvertreterposten einen Ausgleich schaffen. Sollte sich Rexrodt freilich für einen Wirtschaftsliberalen auch auf diesem Posten stark machen, würde das als „Konfliktkurs“ gewertet, glaubt Biederbeck. Entsprechend kompromißlos würde man in diesem Fall bei der ebenfalls anstehenden Wahl der Bundestagskandidaten sein, wird im sozialliberalen Lager wenig überzeugend gedroht.

Kammholz schreckt denn auch vor solchen Drohungen nicht zurück: „Es ist das Recht des Vorsitzenden, sich einen Stellvertreter auszusuchen, mit dem er gut zusammenarbeiten kann.“ Unmut gebe es auf Landesparteitagen immer. Auch auf die Kritik an Rexrodt gibt der Fraktionschef nicht viel. „Wir sind die Hauptstadtpartei“, sagt Kammholz, „und mit Rexrodt bauen wir die Bonner Schiene aus.“

Um innerparteiliche Machtverteilung geht es am Wochenende aber auch außerhalb von Personalentscheidungen – diesmal nicht zwischen links und rechts, sondern zwischen oben und unten. Der Landesvorstand hat beantragt, daß die Kandidaten für das Abgeordnetenhaus nicht mehr auf der Bezirksliste, sondern auf der Landesliste aufgestellt werden. Nach Bezirksliste ziehen diejenigen Kandidaten in den Landtag ein, die vor Ort die meisten Stimmen geholt haben. Bei der Landesliste dagegen rutschen auf die Abgeordnetenbänke diejenigen, die am Anfang der Liste stehen.

Setzt sich der Landesvorstand mit seinem Antrag durch, werden die zukünftigen FDP-Abgeordneten auf Landesparteitagen bestimmt, der Basis damit ein Kandidat von oben vorgesetzt. Ob es zur Entmachtung der Bezirke kommt, ist nicht ausgemacht. Die Verbände, die auch nach einer Verkleinerung des Abgeordnetenhauses – die Mindestzahl der Mitglieder wird von 200 auf 150 gesenkt – nach der bisherigen Berzirksliste ihren Kandidaten durchbekommen würden, sollen auf dem Landesparteitag eine knappe Mehrheit haben.

Inhaltlich wird es am Wochenende spannend, wenn der Antrag zur Freigabe von Drogen debattiert wird. Fraktionsvorständler Frank Seerig will, daß sich seine Partei für die Entkriminalisierung Drogenabhängiger einsetzt.