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Die Serben spielen weiter auf Zeit

Der Fortgang der Bosnien-Verhandlungen ist weiter völlig ungewiß / Serbische Bedingungen sind für die Teilnahme mit den US-Plänen unvereinbar / Kämpfe bei Bihać und Maglaj  ■ Von Andreas Zumach

Berlin (taz) – Der Fortgang der Verhandlungen über eine Friedenslösung für ganz Bosnien-Herzegowina ist völlig ungewiß. Zwar hielt der Sonderbeauftragte der russischen Regierung, Witali Tschurkin, gestern eine Wiederaufnahme der Genfer Verhandlungen zwischen allen drei Konfliktparteien bereits in der kommenden Woche für wahrscheinlich. Er kündigte einen „flexiblen Lösungsvorschlag“ der bosnischen Serben an, den er jedoch nicht näher erläuterte.

Der „Vizepräsident“ der bosnischen Serben, Koljević, machte am Dienstag jedoch die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen das aus Serbien und Montenegro bestehende Rest-Jugoslawien sowie einen „Friedensschluß“ zwischen allen drei bosnischen Kriegsparteien zur Vorbedingung für eine Teilnahme an Verhandlungen. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint allerdings selbst eine teilweise Lockerung der Sanktionen gegen Rest-Jugoslawien ausgeschlossen. Nach den bisherigen Festlegungen der USA und der EU soll diese erst nach Abschluß einer umfassenden Friedensvereinbarung für ganz Bosnien und deren zumindest teilweise Umsetzung erfolgen. Einer Verurteilung Belgrads wegen der Umgehung der Sanktionen durch den UNO- Sicherheitsrat hatte in der Nacht zum Dienstag auch Rußland zugestimmt.

Ein „Friedensschluß“ in Bosnien, zumindest in Form eines vollständigen und dauerhaften Waffenstillstandes in ganz Bosnien, scheitert derzeit nur noch an den Serben. Während die Waffen zwischen den kroatischen Milizen und der mehrheitlich muslimischen Regierungsarmee seit nunmehr über zwei Wochen schweigen, setzten die serbischen Truppen auch gestern ihre schweren Angriffe gegen die muslimischen Enklaven Bihać und Maglaj fort. Der UNO- Sicherheitsrat forderte die Serben in der Nacht zum Dienstag auf, die Belagerung Maglajs „sofort zu beenden“, um die Durchfahrt von Hilfskonvois und die Evakuierung Kranker und Verwundeter zu ermöglichen. Auf die von der bosnischen Regierung verlangte Ausrufung Maglajs zur UNO-Schutzzone konnte sich das Gremium allerdings nicht einigen.

Der „Präsident“ der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, hatte einen Eintritt der Serben in die kroatisch-muslimische Föderation am Montag als „unwahrscheinlich“ bezeichnet, zugleich jedoch die Bereitschaft zu entsprechenden Verhandlungen erklärt. In allen bisherigen Stellungnahmen zu dem Föderationsmodell betonten Vertreter der bosnischen Serben jedoch, daß sie zur Räumung von maximal 15 Prozent der derzeit von ihnen besetzten 70 Prozent des bosnischen Territoriums bereit sind. Nach Vorstellungen der USA und der EU-Mehrheit müßten sie jedoch mindestens 30 Prozent aufgeben, damit die geplante muslimisch-kroatische Föderation 51 Prozent des bosnischen Territoriums erhält. Dieser Gegensatz läßt eine erneute langwierige Genfer Verhandlungsrunde erwarten.

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