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Der schwelende Krieg von Natal

Mit allen Mitteln versucht die Inkatha-Bewegung unter Buthelezi, die Demokratie und die kommenden Wahlen von Südafrikas Zulus fernzuhalten  ■ Aus Ndwedwe Willi Germund

Zwei riesige Fahnen in den schwarz-grün-gelben Farben des Afrikanischen Nationalkongresses wehen über den Köpfen von rund 500 jungen ANC-Anhängern. Sie sitzen in kniehohem Gras auf dem sanftgewellten Gipfel des Sobombo-Hügels in der Gemeinde von Ndwedwe und betreiben, wie sie sagen, Wählererziehung. Etwa einen Kilometer entfernt, auf einem anderen Hügel und nur durch eine Schlucht getrennt, wehen ebenfalls riesige Fahnen. Sie gehören Inkatha; hinter ihnen haben sich rund 1.500 Menschen versammelt. Eine Szene wie aus einem mittelalterlichen Schlachtengemälde.

Die Anhänger der von Zulu- Häuptling Mangosuthu Buthelezi geführten Inkatha betrachten die ANC-Fahnen und die paar Plakate als Provokation. Sie tanzen und trommeln mit Speeren und Knüppeln auf Fellschilder. Ein paar Männer tragen Schrotflinten und Jagdgewehre, hier und da lugt der Lauf eines AK-47-Schnellfeuergewehres unter einer Decke hervor. „Nehmt die Leute da drüben fest, verhaftet sie“, ruft Chief Mfaela auf Englisch die Polizei auf, während er mit einem Megaphon zu seinen Gefolgsleuten spricht. Auf Zulu fährt er fort: „Wo soll das enden, wenn junge Leute einfach selbst bestimmen können, was geschehen soll.“

Die jungen Leute sind die ANC- Anhänger. Sie haben sich über alle Traditionen hinweggesetzt, folgen den Alten und den Indunas (lokalen Häuptlingen) nicht mehr und bevorzugen Nelson Mandela gegenüber Buthelezi. „Bitte bleiben Sie, bis unsere Veranstaltung zu Ende ist“, fleht ein nervöser ANC- Organisator einige unabhängige Friedensbeobachter an, die die beiden Gruppen auseinanderhalten sollen, „denn wenn etwas passiert, geschieht es immer am Ende, nach den Veranstaltungen.“

Territorialkampf statt Wahlkampf

Passiert ist schon genug in Sobombo. In den zwei Wochen vor dieser Konfrontation haben beide Seiten gegenseitig Häuser und Hütten abgebrannt. Fast 50 Häuser gingen in dieser malerischen Hügellandschaft der südafrikanischen Provinz Natal in Flammen auf. Zehn Menschen wurden ermordet. Viele Einwohner flohen.

Politische Auseinandersetzung in Natal bedeutet meistens Kampf über die Kontrolle eines bestimmten Gebietes. Tausende von Menschen kamen ums Leben, seit in den achtziger Jahren der Konkurrenzkampf zwischen ANC und Inkatha, geschürt von Südafrikas Sicherheitskräften, ausbrach. Und während sonst überall in Südafrika selbst die entferntesten Winkel mit Wahlplakaten übersät sind, gibt es in Buthelezis „Homeland“ KwaZulu kaum Zeichen von Wahlkampf. Nicht einmal Aufklärung über die Stimmabgabe erlaubt Inkatha. Nur wenn sich ein paar Mutige aufraffen, sieht es anders aus – so wie in Sobombo.

„Wir gehen nicht eher, bis die Inkatha-Leute weg sind“, sagt ein ANC-Mitglied. „Die sollen ihre Führer zum Verhandeln hierherschicken“, verlangt Inkatha-Chief Mfaela. Aber die jungen Leute vom ANC hüten sich. „Lang lebe der Geist von Million Meviwa“ heißt es wie zur warnenden Erinnerung auf einigen ihrer Plakate. Der lokale ANC-Vorsitzende wurde vor einigen Wochen entführt und ermordet.

Chief Mfaela zieht schließlich an der Spitze seiner „Impis“, der traditionellen Kampfeinheiten der Zulus, als erster ab. Eine schmähliche Niederlage. Er wird wiederkommen, bei Nacht oder am Tage. Es wird Überfälle und Hinterhalte geben. Der Konflikt um die politische Hoheit in Sobombo ist noch lange nicht ausgestanden.

Nur 40 Autominuten entfernt liegt die Stadt Durban am Indischen Ozean, Metropole Natals und siebtgrößter Hafen der Welt. Aber der Flecken Sobombo gehört zu KwaZulu, wo Inkatha-Führer Buthelezi herrscht. Chief Mfaela, seinem „Chief Minister“ treu ergeben, steht vor einem Dilemma. Solange der ANC sich in Sobombo behaupten kann, steht nicht nur sein Amt auf der Kippe. Der Chief muß damit rechnen, selbst ermordet und durch einen anderen Induna ersetzt zu werden. Das gebietet die Tradition der Zulus. „Ob Inkatha die Wahlen boykottiert oder nicht, macht in vielen Gegenden von KwaZulu im Grunde keinen Unterschied“, glaubt ein Journalist des Natal Witness in Natals Hauptstadt Pietermaritzburg. „Es geht um die Bewahrung der hergebrachten Ordnung.“

Seit dem Ablauf der Registrierungsfrist für Kandidatenlisten letzte Woche ist der Wahlboykott der „Inkatha-Freiheitspartei“ endgültig. Buthelezi will deutlich machen, daß Demokratisierung in der gegenwärtigen Form in seinem KwaZulu abgelehnt wird. „Inkatha muß deshalb ihr Territorium ausdehnen“, sagt der Journalist.

Selbst Inkatha-Mitglieder sind nicht mehr sicher. Generalsekretär Frank Mdladlose humpelt seit Wochen am Stock. Die offizielle Version: Autounfall. Die Wahrheit soll anders aussehen – Schläger von Prinz Gideon, einem Sohn des Zulu-Königs Zwelethini Goodwill, sollen ihn in die Mangel genommen haben. Der Prinz spielt eine wichtige Rolle in Inkathas Jugendbewegung. Die verfaßte eine Liste, auf der angebliche Sympathisanten von Nelson Mandela aufgeführt wurden. Eine der genannten Personen: Simon Gumede, bis dahin KwaZulu-Minister für öffentliche Arbeiten und Mitglied des Zentralkomitees von Inkatha. Der Häuptling legte seine Ämter nieder und verbarrikadiert sich seitdem in seinem Dorf Ubumbo an der Grenze zu Mosambik. Petrus Zulu, ein Mitglied der Königsfamilie, wurde sogar in seinem Haus in Ulundi ermordet. Der Prinz hatte in einem Brief an Südafrikas Staatspräsident Frederik de Klerk verlangt, das Gehalt von Zulu-König Zwelethini Goodwill solle zukünftig von Pretoria und nicht von den Homeland-Behörden in Ulundi ausgezahlt werden.

Buthelezi braucht den Wahlboykott

„Die traditionelle Kontrolle der Zulu-Strukturen wankt auch in Inkatha-Gebieten“, glaubt der in Durban lebende Zulu Vusi Sithole. „Die Indunas verlangen bis zu zehn Mark Steuer pro Erwachsenem.“ Vor wenigen Jahren noch waren es nur zehn Mark pro Familie. Der ANC verspricht, daß in Gebieten unter seiner Kontrolle solche Steuern nicht erhoben werden. Sithole ist überzeugt: Hätten die Leute in den Hügeln Natals die Wahl, sie würden wählen gehen – und zwar gegen Inkatha.

Für Buthelezi wird Südafrikas erste allgemeine Wahl denn auch zur Überlebensfrage. Bei einer Wahlteilnahme würde er aller Voraussicht nach untergehen. Umfragen geben ihm im günstigsten Fall in Natal nur 35 Prozent. Er versucht daher, seine politische Zukunft auf andere Weise zu sichern: Je weniger wählen, um so stärker seine Position.

Die Folgen stehen für die Anthropologin Mary de Haas außer Zweifel: „Tausende von Leuten in Natal werden aus Furcht nicht wählen gehen.“ In Umlazi, ein Township am Stadtrand von Durban, besetzte Inkatha ein Stadion, um eine Wahlkampfveranstaltung des ANC zu verhindern. Bewaffnete Auseinandersetzungen nehmen zu, denn der ANC bleibt nicht tatenlos. Am kommenden Wochenende will Mandela an der Universität von Zululand sprechen.

Am Ende wird wohl nicht nur die Furcht vor Gewalt über die Wahlbeteiligung in Natal entscheiden. Schon macht ein Gerücht die Runde, das vor allem auf dem Land wirken dürfte: Die unsichtbare Tinte, mit der die Finger der Wähler markiert werden sollen, um mehrfaches Wählen zu verhindern, sei muti – ein magisches Mittel, das alle Wähler mit Krankheiten überziehen werde.

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