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Schirinowskis Sandkastenspiele

■ In einem TV-Quiz stellte der Nationalist seine Pläne zur Machtübernahme vor

Moskau (taz) – Einem Fernsehquiz ist es zu verdanken, daß Wladimir Wolfowitsch Schirinowski am Mittwoch abend eine Sandkastenvariante seiner Machtübernahme vorführte. In der halbstündigen Sendung „Ich als Führer“ spielte diesmal Wladimir Wolfowitsch, Vorsitzender der „Liberaldemokratischen Partei Rußlands“, gegen den Generalsekretär der russischen KP, Gennadi Sjuganow. Dabei wurde deutlich, daß Genossen Sjuganows atemlose Bewunderung für Herrn Schirinowski große Ähnlichkeit mit jener von Obelix für Asterix hat.

Die Frage lautete: „Versetzen Sie sich ins Frühjahr 1996. Der Präsident Rußlands versucht die für den Sommer geplanten Präsidentenwahlen zu verhindern. Die Duma wehrt sich heftig gegen diesen Beschluß. Die Schlüssel-Ministerien laden Sie zu einer Sitzung ein und machen Ihnen den Vorschlag, eine Diktatur auf Zeit zu errichten. Wie nutzen Sie die Situation?“

„Ich werde den Ministern sagen, daß eine Diktatur unter keinem Gesichtspunkt eine Perspektive hat“, wiederholte Gennadi Sjuganow wie ein braver Schüler, der seine Lektion in Sachen Demokratie gelernt hat. Er werde Neuwahlen anstreben. Ganz anders fiel die Antwort von Wladimir Wolfowitsch aus. Zuerst wolle er Truppen um den Kreml zusammenziehen, „um das Leben des russischen Präsidenten“ zu schützen. Zweitens gedenke er, den Präsidenten zum Rücktritt zu veranlassen und ihn, Schirinowski, zum Premierminister zu ernennen.

Danach würden Wahlen durchgeführt, bei denen er endgültig zu siegen hoffe. Was er denn unter „veranlassen“ verstehe, wollte ein Zuschauer im Saal wissen. „Das ist wie bei einer Frau: Wenn sie vergewaltigt wird, ist es ein Verbrechen, doch wenn man sie überredet, kann niemand eine solche Anschuldigung aussprechen.“ „Wovor wollen Sie denn den Präsidenten schützen, vor sich selbst?“ fiel hier der Moderator Herrn Schirinowski ins Wort. „Ja, ja...“, unterstrich dieser großspurig: „Es ist besser, sich zu einigen, als die Gewalt zuzulassen.“

Was, wenn die Massenmedien nicht mitziehen? Die werden am ersten Tag verstummen, erklärte Wladimir Wolfowitsch: „Am Morgen wird die Hymne der Sowjetunion gespielt, doch ohne Text; tagsüber wird meine Lieblingsmelodie, die „Polonaise“ von Oginski, zu hören sein, und abends dürfen im Fernsehen Trickfilme und Volksmärchen gezeigt werden.“ Auch für das „Problem“ der ausländischen Korrespondenten hatte Schirinowski eine Sofortlösung bereit: Die werden des Landes verwiesen. „Was heißt schon, dann schreiben sie eben zu Hause, in ihrer Heimat? Das werden sie nicht tun, denn dazu sind sie doch zu feige.“

An so mancher Stelle drängte sich der Eindruck auf, daß Schirinowski am besten als Schirinowski-Imitator funktioniert. Vergnügt bringt er immer neue Sentenzen hervor, wie sie die Weltöffentlichkeit von ihm eben erwartet. Die Gestalt Schirinowski scheint aus dem Sand geheimdienstlicher Spielkästen entstanden zu sein, wie einst der Golem aus dem Lehm des Prager Ghettos. Bei den Zuschauern im Saal hatte diese Methode Erfolg: Sjuganow verlor die Hälfte der ihm zu Beginn gespendeten Sympathie-Punkte, während Schirinowskis verschlagene Dreistigkeit den Sieg davontrug. Barbara Kerneck

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