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Voll im Trend: Die Radtour

■ Der Radtourismus ist zu einem lohnenden Wirtschaftsfaktor in den Regionen geworden

Von Hoteliers und Gastwirten wurden sie lange Jahre belächelt und verachtet. Sie galten als knickrig und sparsam, würden nur eine Nacht bleiben und lediglich den mitgebrachten Proviant verzehren. Die Rede ist von TouristInnen hoch zu Rad.

Die Hoteliers und Gastwirte haben ihre Vorurteile längst über Bord werfen müssen. Denn die Kassen klingeln. Der Radtourismus ist in vielen Ferienregionen zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor geworden.

In den letzten zehn Jahren sind die ausgeschilderten Radfernwege wie Pilze aus dem Boden geschossen. Gab es 1984 in Deutschland lediglich sieben markierte Fernstrecken, sind es mittlerweile über achtzig Distanzrouten. Die älteste und mit über 2.000 Kilometern auch längste ist die 100-Schlösser- Route im Münsterland, die seit 1983 existiert. Heute hat kein Hotelier und Gastwirt entlang der Strecke mehr etwas gegen die Pedalritter. Das Radfahren ist der muskelbetriebene Motor der touristischen Entwicklung in dieser vormals weniger bekannten und besuchten Region geworden. Rund ein Drittel der jährlich gut drei Millionen Übernachtungen im Münsterland sind auf die radelnden UrlauberInnen zurückzuführen. Hinzu kommen jedes Jahr etwa zehn Millionen Tagestouristen auf zwei Rädern, die so etliche Mark in den Registrierkassen lassen.

Aber nicht nur im Flachland, sondern auch im Hochgebirge kann der Radtourismus zu einem ernstzunehmenden ökonomischen Impuls werden. Der 280 Kilometer lange Tauernradweg im Salzburger Land, der immerhin einen Höhenunterschied von 800 Metern überwindet, ist nach der Radroute entlang der Donau zu einem der beliebtesten Fernwege in Österreich geworden. Gerade hier waren anfangs die Gastwirte besonders skeptisch, ja ablehnend eingestellt. Heute reißen sich die Wirte um die Auszeichnungsfahne, die ihre Häuser als „radfreundliche Betriebe“ kennzeichnet. 25.000 RadlerInnen pro Jahr auf dem Tauernradweg haben durchaus eine pekuniäre Überzeugungskraft.

Kein Wunder, daß auch die „neuen“ Länder Deutschlands sich angesichts des wirtschaftlichen Kollapses vom Radtourismus etwas versprechen. Ob in Mecklenburg-Vorpommern, in Brandenburg oder in Sachsen, überall werden Radfernrouten kreiert. Die größte Chance auf Erfolg dürfte der Elbradweg haben, der als internationaler Distanzweg in naher Zukunft auf autoverkehrsfreien oder -armen Wegen von Hamburg nach Prag führen wird. Noch ist die Streckenführung nicht optimal. Lücken bestehen bis jetzt in Sachsen-Anhalt und jenseits der Grenze in der Tschechischen Republik.

An der sächsischen Elbe konnte auf einen Radweg zurückgegriffen werden, der bereits in den zwanziger Jahren auf alten Treidelpfaden angelegt wurde. Zusätzlich sind zahlreiche neue Raduferwege entstanden, und alte wurden instand gesetzt.

Informationen:

Allgemeiner Deutscher Fahrrad- Club (ADFC), Postfach 10 77 47, 28077 Bremen; Münsterland Touristik, Postfach 12 65, 48542 Steinfurt; Salzburger Land Tourismus Gesellschaft, Postfach 8, A-5033 Salzburg; Landesfremdenverkehrsverband Sachsen, Maternistraße 17, 01067 Dresden.

Für Gemeinden und Fremdenverkehrsämter, die vom wachsenden Fahrradboom mittels eines gescheiten Radwanderkonzepts profitieren wollen, hat der ADFC kürzlich die empfehlenswerte Broschüre „Handreichung zur Förderung des Fahrradtourismus“ herausgegeben.

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