piwik no script img

Im GesprächWer braucht die FDP?

■ Gespräch mit Claus Jäger über die 5-Prozent-Hürde

“Klar, daß wir Probleme haben“, sagt der Wirtschaftssenator und FDP-Politiker Claus Jäger. In den Tagen nach der Niedersachsen-Wahl, mit der die FDP nun nach Hamburg zum zweiten Male aus einem Landesparlament in Norddeutschland herausgeflogen ist, halten sich die FDP-Strategen aber dennoch merklich zurück. Jäger sucht die Ursachen für das Scheitern der FDP an der 5-Prozent-Klausel vor allem in der Bundespolitik: „Die FDP wird insbesondere gewählt wegen ihrer bundespolitischen Position“, sagt er. Da sei der Trend insgesamt schlecht, das heißt: Die FDP leidet mit der CDU, und nach dem Ausscheiden von Genscher und Lambsdorff sei „ein kleines Vakuum“ entstanden. Das Bild ist schief, aber erhellend: Ein „kleines Vakuum“ gibt es nicht, Vakuum ist immer das absolute Fehlen dessen, was zum Atmen notwendig ist. Das Bild strahlt auch aus einem anderen Grund wenig Hoffnung aus: Dieses „Vakuum“ besteht seit mehr als einem Jahr und dürfte sich deshalb auch nicht so schnell mit frischer Luft füllen. Für eine von ihren parlamentarischen Funktionen abhängige Partei liegt die Schwelle genau bei fünf Prozent.

Für das Scheitern in Niedersachsen sieht Jäger aber eine Ursache, die mehr Hoffnung macht: Die Stimmen für die FDP seien immer auch „Funktionsstimmen“, also nicht das, was andere Parteien „Stammwähler“ nennen. In Niedersachsen hatte die FDP keine Funktion: Für eine Koalition mit der CDU hätte es nie und nimmer gereicht, und Schröder schien auf eine Fortsetzung des rotgrünen Bündnisses festgelegt. Wer die Grünen raus haben wollte aus der Regierung, hat auf die absolute Mehrheit der SPD gesetzt.

Was kann das alles für Bremen bedeuten? Jäger sieht erst einmal die Bundestagswahlen im Oktober dieses Jahres. „Fortsetzung der Koalition in Bonn“ müsse die klare Devise sein, dafür will die FDP in Bremen ohne Zwischentöne Reklame machen. Die Bonner müßten sich klar zu Fehleinschätzungen bekennen, etwa bei der Einigung mit den neuen Bundesländern, aber eine Alternative für die Regierung sieht Jäger nicht. Daß in Bremen die FDP in andere Koalitionsverträge eingebunden ist, „das ist überhaupt nicht schwierig zu erklären“. Schwierig sei höchstens, wenn ein Wahlkämpfer dem Senat angehöre. Das geht an die Adresse von Volker Kröning.

Die Bürgerschaftswahlen in Bremen 1995, die seien noch weit hin. Klar ist aber, daß die FDP ihre „Funktion“ für Bremens Ampel-Koalition herausstreichen muß, will sie 1995 bestehen. Jäger ist auch die Überlegung nicht fremd, daß die „Funktion“ der FDP für Bremen vielleicht besser mit dem Finanzressort herauszustreichen wäre – nicht zuletzt auch angesichts der schlechten Konjunktur, die wirtschaftspolitische Erfolge seines Ressorts erschwert, wenn nicht gar verhindert. Die FDP hatte schon einmal den Finanzsenator gestellt (Speckmann) und war damit gut gefahren. Angesichts des Ausscheidens von Kröning wäre da eine Chance für die FDP gewesen. „Das hätte Sinn gemacht“ sagt Jäger. Aber die SPD wollte auf die Verantwortung für die Staatsfinanzen nicht verzichten. Die für die großen wirtschaftspolitischen Themen, etwa für Klöckner, hat sie qua Bürgermeister auch ohne das Fachressort.

Bleibt die Frage, wer braucht die FDP in Bremen? Was ist ihre Funktion, die sie unverzichtbar macht? Im Gegensatz zu Niedersachsen, wo die FDP nur knapp über 6 Prozent war, hat sie in Bremen mit 9,6 Prozent (1991) ein gutes Polster. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen