: Schwarze Krieger, weiße Treiber
Seit Jahren organisieren hohe Generäle der südafrikanischen Sicherheitskräfte den Waffennachschub für die Inkatha-Bewegung, damit diese gegen den ANC Krieg führen kann ■ Aus Johannesburg Willi Germund
Jahrelang hatte Südafrikas Staatspräsident Frederik W. de Klerk Berichte über eine „Dritte Kraft“ ins Reich der Fabel verwiesen. Wann immer Nelson Mandela und der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) darauf bestanden, daß eine geheime Truppe aus Mitgliedern der Sicherheitskräfte mit Rückendeckung durch ihre Vorgesetzten für einen Großteil der politischen Gewalt in Südafrika verantwortlich sei, winkte der Staatschef ab und verwies auf ergebnislose Untersuchungen durch die Polizei und die eigens eingesetzte Untersuchungskommission unter Richter Richard Goldstone. Am Freitag, nach fast 15.000 Toten in vier Jahren, räumte de Klerk endlich ein: „Es gibt konkrete Hinweise für die Existenz der Dritten Kraft.“
Gleich drei Polizeigeneräle schickte er in den vorzeitigen Ruhestand und lieferte damit auch gleich den Grund, warum es in der Vergangenheit nie gelungen war, entsprechende Nachforschungen erfolgreich zu beenden. Zu den geschaßten Polizeigenerälen gehört nämlich neben Basie Smit, dem Stellvertreter von Polizeichef Johann van der Merwe, und Johan le Roux ausgerechnet Krappis Engelbrecht. Der war als Chef des Polizeigeheimdienstes von Präsident de Klerk persönlich mehrfach beauftragt worden, die Verwicklung von Sicherheitskräften in die politische Gewalt zu untersuchen – womit der Staatschef den Bock zum Gärtner machte.
Ausgerechnet Engelbrecht versorgte im Verein mit den anderen beiden Generälen die konservative Schwarzenbewegung Inkatha mit Waffen für ihren Krieg gegen den ANC. Unter seiner Leitung orchestrierte Polizeioberst Eugene de Kock Anschläge auf Nahverkehrszüge und Kleinbusse. Die Truppe operierte am Ostrand der südafrikanischen Industriemetropole Johannesburg und in Natal – den Schwerpunkten der politischen Gewalt in Südafrika.
Die Waffen stammten zum Teil aus Namibia. Andere kamen aus Mosambik. Aber in Vlakplaas in der Umgebung von Johannesburg sowie einem weiteren Ort wurden Waffen auch eigens produziert, um dann an die Inkatha weitergegeben zu werden. Als Mittelsmänner sprangen dabei zwei Südafrikaner ein, die den Sicherheitsdienst der Bank ABSA leiten. Inkatha-Führer Mangosuthu Buthelezi dementierte am Wochenende, etwas von den Waffenschiebereien gewußt zu haben. Aber er steht unter massivem Druck, weil er die ersten demokratischen Wahlen des Landes boykottieren will.
De Klerk kontrollierte seine Generäle nicht
Nun steht Präsident de Klerk unter Zugzwang. Nachdem die Goldstone-Kommission und die südafrikanische Presse Ende letzter Woche die Waffenschiebereien durch Polizeigeneräle enthüllt hatten, trat er die Flucht nach vorne an: „Wir haben immer gesagt, daß wir handeln würden, sobald konkrete Hinweise vorliegen würden.“ Er will weitere Untersuchungen einer internationalen Expertenkommission überlassen – obwohl seine Regierung sonst ausländische Einmischung nicht gerne sieht.
Der 200-Seiten-Bericht der Goldstone-Kommission fällt tatsächlich für de Klerk reichlich peinlich aus. Denn das Kabinett bewilligte bereits Anfang 1993 in Anwesenheit von Staatspräsident de Klerk massive Geldsummen, mit denen Polizisten der Abschied aus Vlakplaas versüßt werden sollte. Die Hoffnung, daß sich damit auch die finsteren Aktivitäten erledigen würden, erfüllte sich freilich nicht. Eugene de Kock etwa kassierte 600.000 Mark und verschob anschließend mit Unterstützung der Polizeigeneräle weiter Waffen.
Diese Informationen kamen ans Tageslicht, nachdem ein Polizeioffizier beschloß, gegenüber der Goldstone-Kommission auszupacken. General Engelbrecht versuchte zwar noch, das Beweismaterial zu zerstören, aber es war zu spät. Zudem liegen zahlreiche Informationen von Mitgliedern der KwaZulu-Polizei vor, die sich heimlich an die Goldstone-Kommission wandten. Danach sind Beamte des Homelands in Hit- Squad-Aktivitäten verwickelt. Nachforschungen darüber werden laut Aussagen von Mitarbeitern der Untersuchungskommission aber immer wieder durch die südafrikanische Polizei behindert. Sogar eine von de Klerk angeordnete Untersuchung wurde auf Weisung von Polizeioberen gestoppt.
Der Skandal um die „Dritte Kraft“ wird zu einer hochbrisanten Zeit bekannt. Denn der Wahlkampf für Südafrikas erste demokratische und allgemeine Wahlen läuft auf Hochtouren. Vor allem aber stellt er wieder einmal die politische Zukunft von Mangosuthu Buthelezi in Frage. Am Wochenende bezogen Armee-Einheiten in der Umgebung der Stadt Ulundi in dem von Buthelezi regierten Homeland KwaZulu Stellung und gaben damit Gerüchten Nahrung, wonach die Streitkräfte nun endlich gegen den störrischen Inkatha- Führer vorgehen könnten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen