: „Paß auf, daß kein Blut fließt“
■ Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen und Polizeibeamten des Revier 16
Eine Streifenwagenbesatzung der Revierwache 16 hat am Dienstagabend im Karoviertel bei der Festnahme eines bosnischen Jugendlichen scharf geschossen. Der Peterwagen war zu einem Feuer in der Marktstraße gerufen worden, wo Schaulustige den Weg versperrten. Weil die Menge nicht sofort den Weg freimachte, sprang ein Beamter aus dem Wagen und wollte die Personalien eines türkischen Jugendlichen feststellen. Ein bosnischer Jugendlicher mischte sich ein. Unvermittelt, so Augenzeugen, sprühte der Beamte dem Türken „aus 20 Zentimetern Entfernung Tränengas ins Gesicht“.
Der zweite Polizist habe sich den Bosnier gegriffen. Als Leute intervenieren wollten, so ein Augenzeuge, habe dieser Uniformierte seine Schußwaffe gezogen und „zwei Meter über die Köpfe hinweg geschossen“ – direkt auf ein Haus, wo Leute auf Balkonen standen.
Laut Polizeiversion hingegen seien die Polizisten von den beiden Jugendlichen „massiv mit Füssen getreten“ und von der „Menge massiv bedrängt“ worden. Polizeisprecher Ralf Stahlberg: „Daraufhin hat ein Beamter aus Notwehr einen Warnschuß senkrecht in die Luft abgegeben“. Der Jugendliche wurde zum Revier in der Lerchenstraße gebracht. Auf der Fahrt, so der Bosnier, habe ein Beamter gesagt: „Ich baller Dir gleich ein 9mm Geschoß durch den Kopf“. In der Tat sind Streifenbeamten mit einer 9mm Sig-Sauer ausgestattet. In der Wache, so der Jugendliche, sei er mit den Worten begrüßt worden: „Schlagt ihn, aber paßt auf, daß kein Blut fließt“. Ein Beamter habe ihm sodann die Finger in die Augen gedrückt.
Vor dem Revier versammelten sich unterdessen rund 50 Jugendliche. Als der junge Türke, der zuvor in der Marktstraße mit Tränengas traktiert worden war, in die Wache ging, um Anzeige gegen den Polizisten zu erstatten, wurde er festgenommen. Vorwurf: „Widerstand“.
Wenig später stürmten Beamte in Uniform und Zivil mit Knüppeln in der Hand aus dem Revier. Gemeinsam mit einem Zug Bereitschaftspolizei wurden die ProtestlerInnen von der Straße geräumt. Ein junger Deutscher wurde festgenommen, der angeblich „Rädelsführer“ gewesen sein soll.
Polizeipressesprecher Stahlberg: „Die Blockade wurde friedlich beendet“. Eine Augenzeugin: „Die waren so aggressiv. Die dachten wohl, das hätte was mit den Kurdenprotesten zu tun.“
Kai von Appen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen