: Mehr Berufsschulen für weniger Schüler
■ Von der Gründung und künstlichen Aufblähung der Metall-Berufsschule an der Reiherstraße
Die Zahl der Bremer BerufsschülerInnen ist in den letzten sechs Jahren um rund 30 Prozent gesunken. Dieser allgemeine Trend spiegelt sich auch in der Situation jeder einzelnen der insgesamt 20 Bremer Schulen zur beruflichen Bildung wieder – einzige Ausnahme: die Berufsschule für Metalltechnik in der Oslebshauser Reiherstraße. Die erst 1991 gegründete und im letzten Jahr mit einem über zwei Millionen Mark teuren Anbau versehene Schule konnte ihre Schülerzahl in den vergangenen zwei Jahren – während sie stadtweit um zehn Prozent sank – um fast zehn Prozent steigern. Und die nächste Schülervermehrung scheiterte am vergangenen Freitag in der Bildungsdeputation lediglich am Einspruch der Grünen.
Beantragt war die Verlagerung von rund 150 Stahlbau-Azubis vom Vegesacker Schulzentrum an die Reiherstraße. „Merkwürdig“ sei dieses Begehren gewesen, erinnert sich der grüne Bildungsdeputierte Wolfram Sailer. Er jedenfalls habe „kein Interesse, daß dem Schulleiter der Reiherstraße ohne Kontrolle immer mehr zuwächst“. Gemeint ist der im SPD-Ausschuß für Bildung (AfB) einflußreiche Alfred Schneider, dem auch für das Dickicht der Bildungsbehörde enorme Durchsetzungskraft nachgesagt wird. Anders wäre auch kaum zu erklären, daß er in härtester Sparzeit mit der Reiherstraße eine Schulneugründung in einem Bereich erkämpft hat, der vor allem von starkem Schülerschwund gekennzeichnet ist.
Sachliche Gründe für die geplante Schüler-Verschiebung konnten der Deputation nicht genannt werden. Auch im Kollegium der Reiherstraße herrscht Unverständnis dafür. Schließlich sei die kleine Schule mit ihren 290 Schülern derzeit voll ausgelastet. Und im Schulzentrum Vegesack, das in den vergangenen Jahren bereits fast die Hälfte seiner BerufsschülerInnen eingebüßt hat, möchte man die Stahlbauer nicht gehen lassen. Helene Peniuk, Lehrerin in Vegesack und Vorsitzende der zuständigen GEW-Fachgruppe: „Mit diesem Konkurrenzkampf wird unsinnigerweise der Stahlbau von dem berufsverwandten Schiffbau getrennt und damit unsere Schule insgesamt in Gefahr gebracht.“
Seine Existenz hat Alfred Schneiders Berufsschule in der Reiherstraße lediglich einer Änderung des bremischen Schulgesetzes im Jahr 1990 zu verdanken. Damals wurde die Schulpflicht auf 12 Schuljahre verlängert und die Altersobergrenze aufgehoben. Im Vergleich zum Standard in anderen Bundesländern (10 Schuljahre und 18 Jahre als Altersobergrenze) hatte Bremen damit auf einfache Weise für deutlich höhere SchülerInnenzahlen gesorgt. Und für die Einrichtung der neuen Schule in der Reiherstraße wurde angeführt, daß die dort stattfindenden HBFS-Programme (Vollzeit-Haupt- und Berufsfachschule) möglichst getrennt vom normalen – nur zweitägigen – Berufsschulprogramm stattfinden sollten.
Inzwischen gehören HBFS-Programme, die einen Hauptschulabschluß bei gleichzeitiger Vorbereitung auf eine Lehrstelle bieten, allerdings auch zum Angebot einiger anderer Berufsschulen. Und in der Reiherstraße wurden in Kooperation mit dem Arbeiter-Bildungs-Centrum der Arbeiterkammer (ABC) auch Teilzeit-Berufsschüler aufgenommen.
Wenn es auch keine sachlichen Gründe für die Aufblähung der Schule an der Reiherstraße gibt, so gibt es zumindest ein persönliches Interesse ihres Schulleiters daran. Der gehört nämlich bisher ebenso wie sein Vertreter und die beiden Bereichsleiter der Schule der Gehaltsgruppe A15 an. Käme es allerdings zur Übernahme der Stahlbau-Azubis aus Vegesack würde die Reiherstraße das im Bundesbesoldungsgesetz geregelte Limit von 360 SchülerInnen überschreiten und ihrem Leiter eine Beförderung nach A16 (rund 8.500 Mark brutto) bescheren. Ase
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen