piwik no script img

Flucht vor Geheimpolizei

■ Vorzeitige Rückkehr aus Kurdistan

Früher als vorgesehen sind gestern zwei Mitglieder einer Hamburger Beobachterdelegation der Humanistischen Union aus Kurdistan zurückgekehrt. Grund: Die Sicherheit ihrer Dolmetscherin Serpil Altundag war nicht mehr garantiert, nachdem die 27jährige am Montag festgenommen worden war. Zum Schutz vor weiteren Repressalien begleitete der NDR-Reporter Christoph Macherauch die Kurdin auf ihrem Rückflug.

Die Delegation - der auch der HWP-Professor Norman Paech angehört - war auf Einladung der Ölarbeitergewerkschaft „Petrol Is“ (Schwestergewerkschaft der IG Chemie) nach Kurdistan geflogen, um das Neujahrsfest „Newroz“ sowie die Kommunalwahlen am Wochenende zu verfolgen. Kaum im Batman angekommen, wurden sie von den türkischen Behörden attackiert. Vor allem auf die Dolmetscherin hatten es die Geheimpolizisten abgesehen.

Im Hotel wurde die junge Frau mehrfach von Zivilpolisten angesprochen, ob ihr klar sei, daß sie für eine Hamburger Terrororganisation arbeite. Nachdem die Gruppe einen Spaziergang durch Batmann gemacht hatte, fand sie dann plötzlich den Eingang des Hotel von der Polizei versperrt. Macherauch: „Wir haben uns zum Schutz um sie herumgestellt.“ Dann habe es den Einsatzbefehl gegeben: „Man hat uns regelrecht weggehauen.“ Die 21 Delegationmitglieder konnten die Festnahme nicht verhindern.

Auf der Polizeistation wurde die Kurdin in eine Zelle gesteckt. Altundag: „Sie drohten mir, mich aufzuhängen. Dann drohten sie, mich zu vergewaltigen.“ Versuche von Delegationsmitgliedern, Anwälte oder die Deutsche Botschaft in Instanbul einzuschalten, scheiterten, da die Telefone des Hotel abgestellt worden waren. Nach zweieinhab Stunden wurde Serpil Altundag wieder freigelassen. Der „Krisenstab Newroz“ im Auswärtigen Amts lehnte es ab, sich für die seit 15 Jahren in Hamburg lebende Kurdin einzusetzen, weil sie keine Deutsche ist. Macherauch: „Uns war klar, daß wir für die Sicherheit nicht mehr garantieren können.“

Aber auch die Deutschen sind ständigen Repressalien ausgesetzt. Die letzten Tage war das Hotel umstellt, den HamburgerInnen Hausarrest auferlegt. Allen Kurden, die mit den Hanseaten in Kontakt gekommen sind - selbst die Busfahrer - wurde signalisiert: „Wenn die weg sind, gibt es Ärger.“ In den letzten Tagen sind mehrere Arbeiter von „Petrol Is“ von den türkischen Todesschwadronen ermordet worden. Und gegenüber der Delegation wurde unverhohlen die Ermordung des Petrol Is-Vorsitzenden angekündigt. Peter Müller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen