: Fackelfeier mit Ewiggestrigen
■ Bundeswehrreservisten mit dem "Ring Deutscher Soldarenverbände", in dem sich ehemalige Soldaten der Wehrmacht und Angehörige der SS-Leibstandarte "Adolf Hitler" tummeln, zusammen auf
Neukölln, 10. März. Während in den Restaurants am Südstern die ersten Gäste eintrudeln, wird der nahegelegene Lilienthalfriedhof an diesem Abend in ein gespenstiges Licht getaucht. Alte Männer, Mitglieder im „Ring Deutscher Soldatenverbände Berlin“, versammeln sich vor der Gruft, in dem der Silberne Lorbeerkranz liegt, der einst in der Neuen Wache untergebracht war.
Unter den rund sechzig Anwesenden sind auch ein Dutzend Bundeswehrreservisten, die mit Fackeln in der Hand zu beiden Seiten des Vorplatzes stehen. Gefeiert wird der Stiftungstag des Eisernen Kreuzes, jenes Ordens, der 1813 zum ersten Mal durch den preußischen König verliehen worden war. Die Zusammenkunft ist eine diffuse Mischung aus Traditionspflege und rechter Gesinnung. Erst eine halbe Stunde zuvor hatte Pastor Paul von Mingus in der St.- Johannis-Basilika den Herrgott darum gebeten, „unser Volk nicht in einer multikulturellen Gesellschaft auf- und untergehen zu lassen“.
Im „Ring Deutscher Soldatenverbände Berlin“, der zu dieser Feierstunde eingeladen hatte, tummeln sich alte Geister, das heißt Ewiggestrige: ehemalige Soldaten der Wehrmacht ebenso wie Angehörige der SS-Leibstandarte „Adolf Hitler“. In Karl Georg Welker, dem Berliner Präsidenten des Soldatenverbandes, haben die SS-Männer einen flammenden Fürsprecher. In einer Einladung an seine Kameraden für eine Zusammenkunft heute abend im Hansaviertel prangert der ehemalige Wehrmachtsmajor der Reserve „die immer wieder gemachte Diffamierung der Waffen-SS, Ausklammerung der Toten der Waffen-SS beim Volkstrauertag“ an. Welker ist überzeugt, daß sich die deutschen Soldaten des Dritten Reiches nicht zu schämen brauchten. Ob „im Kaukasus, in Odessa, bei Leningrad oder in Stalingrad, überall können wir uns sehen lassen“.
Von den Verbrechen habe man doch erst nach dem Krieg erfahren, verteidigt er sich. Der heute 80jährige ist stadtbekannt. Als Vorsitzender des „Berliner Bürgervereins“ sorgte er Anfang der siebziger Jahre dafür, daß hinter dem Reichstag für die Maueropfer Kreuze aufgestellt wurden.
Zwischen dem „Ring Deutscher Soldatenverbände“ und der Bundeswehr gibt es zwar keine institutionalisierte Zusammenarbeit. Dennoch kennt man sich, nicht zuletzt von den Kranzniederlegungen am Volkstrauertag auf dem Neuköllner Garnisonsfriedhof. Es gebe nur „lockere Kontakte“, erklärte der Sprecher der Bundeswehr in Berlin, Korvettenkapitän Klaus Heermeyer, gegenüber der taz.
Daß sich Welker vehement für die Waffen-SS stark macht, stößt der Berliner Bundeswehr unangenehm auf. Schließlich erhielten die Bundeswehrreservisten die Trageerlaubnis der Uniform für den 10. März vom Kommandanten des Verteidigungsbezirkskommandos 100, General Hasso von Uslar- Gleichen. Ursprünglich sollten sogar Offiziere der Bundeswehr der Veranstaltung beiwohnen. Wegen anderweitiger Verpflichtungen habe man an diesem Tag jedoch nicht teilnehmen können, erklärt Heermeyer. Das Gedenken an den Stiftungstag sei an sich nicht zu beanstanden, da „die Bundeswehr das Eiserne Kreuz ja auch als Hoheitszeichen verwendet“, verteidigt er die Teilnahme der Reservisten. Man distanziere sich allerdings von einer Traditionspflege, „die auf die SS setzt“.
Der Berliner Landesvorsitzende des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr, Oberst a.D. Horst Schäfer, sieht in Welkers Verteidigung der Waffen-SS nur „die Meinung eines einzelnen“. Sollte sich der Berliner „Ring Deutscher Soldatenverbände“ die Ansicht ihres hiesigen Präsidenten allerdings zu eigen machen, „werden wir uns überlegen müssen, ob wir künftig nicht jede gemeinsame Veranstaltung meiden“. Severin Weiland
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