■ Warum Biblis A nicht stillgelegt wird: Testfahrer Töpfer gibt Gas
Stellen Sie sich vor, Sie holen Ihr Auto nach einer gründlichen Jahresinspektion aus der Werkstatt ab. Doch kaum haben Sie, nach der Begleichung der saftigen Rechnung, das Haupttor mit dem Pförtner passiert, breitet sich im Fahrgastraum Brandgeruch aus. Sie öffenen die Haube und stellen fest, daß der Motor brennt. Erst versuchen Sie schlicht Wasser draufzuschütten – vergeblich. Dann rücken Sie mit dem Feuerlöscher an. Ergebnis: Feuer gelöscht. Aber die Lichtmaschine ist völlig verkokelt. Verärgert schieben Sie den Wagen zurück in die Werkstatt. Und der nette Meister tauscht sofort den defekten Stromgeber aus und isoliert die verschmorten Kabel.
Mit funkelnagelneuer Lichtmaschine und einem blitzsauberen Motor (nach Motorwäsche) rollen Sie dann erneut vom Hof – und verlieren schon nach wenigen Fahrminuten den Auspuff. Wieder zurück in die Werkstatt. Der Meister ist untröstlich. Sie bekommen Kaffee serviert und dürfen in einem Prospekt Ihrer Autofirma blättern. Dort lesen Sie, daß gerade Ihr Auto zu den reparaturunanfälligsten seiner Klasse zählt. Das tröstet Sie. Und mit dem neuen Auspuff sind Sie dann auch exakt drei Tage lang King of the road – bis Sie (letzten Mittwoch) die Öllache auf Ihrem Stammparkplatz registrieren ...
Natürlich würden Sie spätestens jetzt eine andere Werkstatt aufsuchen – oder sich gleich ein anderes Auto kaufen und Ihre „silberne Zitrone“ endlich verschrotten.
Wir suchen uns ein anderes (konventionelles) Kraftwerk. Dazu war auch der hessische Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) in der vergangenen Woche fest entschlossen. Er und sein Umweltminister Joschka Fischer wollten den Block A des Biblis-Reaktors verschrotten – nach rund tausend Stör- und Unfällen seit der Erstzulassung . Drei Störfälle alleine in den letzten drei Wochen. Und das nach der Jahresinspektion des Reaktors durch Beamte der Technischen Überwachungsvereine (TÜV). Doch Bundesrecht bricht Landesrecht. Und weil Bundesumweltminister Klaus Töpfer ein passionierter Reaktor(test)fahrer ist, wird „im Straßenkreuzer Biblis Block A, der mit der Bremsanlage eines Kleinwagens ausgestattet ist“ (Fischer), auch nach dem letzten Störfall (und trotz der nicht behobenen 49 Sicherheitsmängel) in den nächsten Tagen das „Gaspedal“ wieder bis zum Anschlag durchgetreten werden: Reaktorfahrer aller Blöcke, gebt Gas! Denn Klaus Töpfer will Strom und Spaß – bis zum atomaren Crash im südhessischen Ried? Klaus-Peter Klingelschmitt
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