: „Was machen Sie da?“
■ Neulich auf dem Kiez: Ein wäßriger Zwischenfall - alltäglich, aber teuer Von Paula Roosen
Es gibt Ecken in Hamburg, da sind die Menschen den Grünuniformierten nicht grün. Dazu gehört die Paul-Roosen-Straße in St. Pauli. Treffen dort zufällig ein Durchschnittspolizist und ein übernächtigter Mittdreißiger aufeinander, kann das nicht gutgehen. Ein Duo dieser Art traf sich jetzt vor dem Amtsgericht wieder. Der junge Mann soll den Polizisten beschimpft haben. Der Beamte zeigte ihn wegen Beleidigung an. Der Beschuldigte ging zum Anwalt. Der eine ist beleidigt - der andere soll zahlen. Das mußte ja so kommen.
Der Mann ist Taxifahrer und wird vor Gericht als erster gehört. Er kam an dem betreffenden Tag im April letzten Jahres von der Nachtschicht, hatte mit ein paar Kollegen hinterher das eine oder andere Bier getrunken und Karten gespielt. Als er morgens um zehn Uhr auf dem Nachhauseweg gegen einen Müllcontainer pinkelte, hielt prompt eine Funkstreife neben ihm.
Der herbeieilende Uniformierte soll ihn gefragt haben, „was machen Sie denn da?“ Ähnlich geistreich will der Angeklagte geantwortet haben: „Nach was sieht das denn aus?“ Der Beamte bat daraufhin den Taxifahrer zwecks Personalienfeststellung in den Fond seines Wagens. Der, obwohl „nicht sonderlich erfreut darüber, auf diese Weise angemacht zu werden“, stieg bereitwillig ein. Als der junge Mann die Streife wieder verließ, drang ein Wortschwall an das Ohr des Polizisten, in dem der erschrockene Beamte mindestens ein „Arschloch“ vernommen haben will. Es können auch mehrere gewesen sein. Überliefert ist ferner die Äußerung, „Du hast nichts im Kopf, Du Idiot“. Wer sie gemacht haben könnte, ist strittig. „Ist überhaupt nicht meine Art“, beteuerte der Angeklagte. Auch die eindeutige Handbewegung, die der Uniformierte beobachtet haben will, könne auf keinen Fall von ihm stammen.
„Ich wollte den Mann nur auf sein Fehlverhalten aufmerksam machen“, erklärt der Ordnungshüter. Schließlich habe sich der Müllcontainer direkt vor dem Fenster eines Kindergartens befunden. Die Staatsanwältin ist ganz seiner Meinung und hält die bereits als Strafbefehl in der Luft schwebende Geldbuße von 800 Mark für angemessen. Die Strafe soll nicht etwa verhängt werden, weil die auf dem Kiez lebenden Kinder von einem derartigen Anblick einen bleibenden Schaden unbekannten Ausmaßes zurückbehalten könnten, vielmehr, weil ein Beamter gekränkt wurde. Und das im Dienst.
Der Richter möchte den Strafbefehl vergessen, das Hickhack beenden und das Verfahren einstellen. Dem wird schließlich unter Murren von allen Seiten zugestimmt, als der Taxifahrer sich bereit erklärt, die 800 Mark auf ein Konto einzuzahlen. Es handelt sich um einen Hilfsfonds der Polizei...
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