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Vom Gedeihen und Wachsen eines Hanfhauses...

■ ...und vom Reporter, der vom Thema im Stich gelassen wurde

Die langersehnte Eröffnung des Berliner „Hanfhauses“, bei der aktuelle Hanftrends und -Moden zur Aufführung hätten gelangen sollen, war kurzfristig verschoben worden. Als Berichterstatter stand man also erst mal dumm da. Wert- und sinnlos, anlaßverlassen ärgerten sich die ausführlichen einleitenden Notizen im Computer: Wen interessierte es jetzt schon noch, daß der Wirtschaftsjournalist, der quirlige Freizeitfußballer, der Hanfaktivist und Begründer des Berliner Hanfhauskollektivs, der Psychedeliker und verdiente Kollege Mathias Bröckers ganz in hanfenen Gewändern gekleidet, als Hanfmodel sozusagen, auf der letzten Frankfurter Buchmesse durch die Hallen schlurfte und jedem, der's sehen wollte, lachend das warnende Schild im „inner space“ seiner Mütze zeigte: „Do not consume. Hemp is 100% drugfree.“ Zunächst uninteressant ist es also für den Leser zu erfahren, daß das Berliner Hanfhaus, auch wenn es erst in einem Monat eröffnet werden wird, schon und weiterhin Hanfpapier, Hanfseile und -fäden verschiedener Größe, Baseballkäppis, Jacketts und demnächst auch Jeans wie wild versendet und verkauft und den einen oder andren damit glücklich machen wird. In der taz-Betriebsfußballmannschaft war übrigens angedacht worden, bei der nächsten Alternativfußballmeisterschaft in Bremen ganz in Hanfklamotten aufzulaufen. Weil das „Hanfhaus“ leider noch keine Fußballtrikots im Angebot hat, zerschlug sich das dann doch.

Bei Kiffern in Mode sind zur Zeit übrigens Fantasy-Gesellschaftsspiele wie „Bloodball“. Das ist eine härtere Football-Variante mit Würfeln. Ein Bekannter, der zwischen Penny-Markt – wo es ihm meisterlich gelingt, die Supermarktuniform so zu tragen, daß sie aussieht wie eine Punkerkluft – und dem Übungskeller seiner Hard-Core-Band hin- und herpendelt, gewinnt da fast immer. Wenn es schlecht aussieht für ihn, baut er einfach einen besonders starken Joint. Dann wird seinem Gegner schlecht.

Kiffen – um damit abzuschließen – sei übrigens trotz zahlreicher „Psychedelicparties“, die seit einem Jahr überall in Mode gekommen sind, nicht so verbreitet, wie man das als Schreiber auf der Suche nach griffigen Thesen gerne hätte. Eine Freundin, die kürzlich in den Ostteil Berlins zog (das zumindest ist tatsächlich „in“) berichtete jedenfalls, es gäbe kaum noch „Hascher“. Sie kenne nur noch einen, und der gehe allmählich und stetig doch schon auf die sechzig zu. Hasch sei also eher eine Rentnerdroge.

Pfeiferauchen dagegen ist bei Künstlern in Prenzlauer Berg zur Zeit angesagt. Kaum ein Abend vergeht, an dem einem nicht irgendein Mann begegnet, der sich wie Nick Knatterton unvorteilhaft aussehende Pfeifen ins Gesicht steckt und hochwichtigtuerisch an den Tresen modischer „Szenekneipen“ gelehnt dann raucht. Auch junge Schriftsteller, wie der „Schneemensch“-Autor Jens Sparschuh, lassen sich neuerdings mit Pfeife ablichten.

Ihre Wohnung (jetzt kommt doch noch die Reportage!) stellt die Freundin ab und an stundenweise für Fotosessions zur Verfügung. Vor kurzem war ein Team von Joop da, und gestern abend machten sehr nette MitarbeiterInnen der Frauenzeitung Sibylle in ihrer Wohnung eine Reportage über „Schlauchkleider“. Zwölf Stunden lang waren die also dabei, eine sehr natürliche, sympathische junge Frau, die alle Vorurteile, die man so über Models hat (doof, arrogant, puppenhaft und geldgierig) souverän widerlegte, in diversen „Schlauchkleidern“ abzulichten. Während der Session explodierte irgendwann die Espressomaschine. Kaffee spritzte auf die schönen „Schlauchkleider“. Das Entsetzen war groß! Zum Glück bezahlt die Versicherung. „Schlauchkleider“ liegen eng, doch auch sanft am Körper. Aggressive Farben, grelle Muster sind out. Die aktuellen Farben tendieren statt dessen gen Mauve. Ach ja: Das Berliner Hanfhaus soll nun Ende April eröffnen. Detlef Kuhlbrodt

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