: Bei der Sozialhilfe ist wenig zu sparen
■ Vergleichendes Gutachten zeigt: Bremen liegt in den Kosten keineswegs „vorn“
Bremen, Stuttgart und Düsseldorf haben in etwa die gleiche Einwohnerzahl. Aber für Sozialhilfe gibt Bremen wesentlich mehr Geld aus die anderen beiden Städte. Diese Tatsache wird seit einigen Monaten immer wieder im Kontext der Spar-Debatten kolportiert, ein von Bremens Finanz-Politikern in Auftrag gegebenes, bisher aber streng vertrauliches Gutachten aus Berlin („Münder-Gutachten“) soll es belegen.
Auf dieses Gutachten angesprochen, druckst auch das Sozialressort herum: Es gebe erst eine Zwischenfassung, nur eine Bestandsaufnahme, für den Endbericht müsse das noch überarbeitet werden. Für die Öffentlichkeit sei jedenfalls noch nichts da.
Wenn man sich durch die 350 Seiten des Gutachtens hindurchquält, versteht man diese Zurückhaltung allerdings nicht recht. Erstens gibt es sehr wohl eine förmliche Endfassung, seit Januar 1994 liegt sie vor. Eigentlich Zeit genug, um die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Und zweitens kommen die Berliner Gutachter keineswegs zu dem Ergebnis, daß im Bremer Sozialressort verschwenderisch mit dem Geld umgegangen würde. Insgesamt zum Beispiel sind in Düsseldorf von 1.000 EinwohnerInnen 61, in Stuttgart 87 sozialhilfeberechtigt, in Bremen aber 103. Kein Wunder, daß die Ausgaben da höher liegen. In dem Städtevergleich der Gutachter hatte Bremen in den Jahren 1987 bis 1990 sogar „die niedrigsten Ausgaben je Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt“ – 1.100 Mark im Jahr unter denen Frankfurts, 500 Mark unter denen Stuttgarts. Schlußfolgerung der Gutachter: Nicht die Leistungen sind in Bremen besonders hoch, sondern die Anzahl der Hilfsbedürftigen. Wobei in Bremen diese Zahl traditionell groß ist. 1980 gab es in Bremen fast doppelt so viele Hilfeempfänger wie in Stuttgart oder Düsseldorf, bis zum Jahre 1990 haben die Vergleichsstädte des Gutachtens aber erheblich „aufgeholt“.
„Vorn“ mit seinen Ausgaben liegt Bremen nur in einzelnen Bereichen des Sozialhilfe-Komplexes. Etwa bei den „einmaligen Leistungen“ (Bekleidung, Heizungsgeld, Hausrat, Weihnachtshilfe...). Bei der Hochzeit etwa gibt Bremen einen Zuschuß von 300 Mark, Stuttgart nur 100. „Aus dem Rahmen fallen“, so schreiben die Gutachter in ihrer Zusammenfassung, zum Beispiel auch „die Mehrbedarfszuschläge für Krebs- und Aidskranke...“
Karoline Linnert, grüne Sprecherin der Sozial-Deputation, hat von der Polemik wegen Bremens überdurchschnittlich hoher Sozilhilfe nie etwas gehalten: „Das ist Stimmungmache“, sagt sie. Bei den Gesprächen über die Details hätten die Finanz-Politiker mehrfach erkennen müssen, daß sie die Problematik nicht ganz verstanden haben, über die sie polemisierten: „Denen fehlt jedes Bewußtsein für ihre Defizite.“ Gibt es neue Erkenntnisse und Konsequenzen aus dem Münder-Gutachten? Linnert: „Nichts.“
Annegret Pautzke, FDP-Sozialpolitikerin, sitzt mit den Spar-Strategen, die gegen den Sozialhilfe-Etat polemisieren, in der eigenen Fraktion. „Wir haben uns da gestritten“, räumt sie ein. Im Vorentwurf des Gutachtens hätten einige Erläuterungen gefehlt, was zu voreiligen falschen Schlußfolgerungen verleitet habe. Ihre Konsequenz aus dem Münder-Gutachten: „Es wird oft sehr leichtfertig über die hohen Sozialhilfe-Kosten geredet.“
Bei einigen Details müsse man prüfen, ob hier und da Summen gespart werden könnten, etwa bei der Kleiderhilfe, bei der Hilfe für Aids- und Krebskranke, bei der Heranziehung des Vermögens der erwachsenen Kinder von älteren SozilhilfeempfängerInnen. Aber an die großen Posten dürfe man nicht heran. Streitpunkt Landespflegegeld etwa: Solange es keine befriedigende Lösung für Blinde gebe, in Bremen weit über tausend Menschen, dürfe man das Landespflegegeld nicht einfach streichen. Für die FDP-Politikerin ist diese „Einspar-Summe“, die auch in Papieren des Sozialressorts neuerdings auftaucht, keineswegs beschlossene Sache. K.W.
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