Arbeiter! Schaut fern!

■ "T l -Emploi" - Frankreioch hat das erste Spartenprogramm für Arbeit und Beruf

Seit heute morgen um sieben herrscht auf Frankreichs Antennenkanal 5, normalerweise erst abends vom multinationalen Kulturprogramm arte erleuchtet, rege Betriebsamkeit: „Télé-Emploi“, das weltweit erste Spartenprogramm für Arbeit und Beruf, ist auf Sendung. Bis zum 17. April flimmert über den Bildschirm nun zwölf Stunden täglich eine klassische TV-Mixtur zur „nationalen Mobilisierung für die Vollbeschäftigung“, so Kommunikationsminister Alain Carginon. Dreimal am Tag präsentieren bekannte Moderatoren themenbezogene Informationsjournale: Berufsporträts wie „Kunsttischler“, „Bankier“ „Friseur“ oder „Kindergärtnerin“. Eine Service-Serie erklärt, „wie man bei der Jobsuche auf gute Ideen kommt und Zeit spart“ oder „wie man sich selbständig macht“.

Talk-Runden plaudern über Aus- und Fortbildung („Was tun bei schlechtem Schulabschluß?“) oder Meinungsumfragen („Was erwarten die Franzosen vom Arbeitsmarkt?“), Feuilletons räsonieren über Arbeits-Chancen Jugendlicher im europäischen Ausland („Zwölf Trümpfe für einen Job“). Unzählige Reporter werden in den kommenden drei Wochen die französischen Regionen durchstreifen, um über lobenswerte Initiativen in Gemeinden und Unternehmen zu berichten („Sprechen wir über die Krise“), und nicht einmal Sitcoms („Beweg Dich! – Jean-Pierre und Fred lernen die Arbeitswelt kennen“) fehlen. Erst ab dem dritten Sendetag scheint das Reservoir ausgeschöpft, vier der zwölf Programm-Stunden sollen dann wiederholt werden.

Das Programm-Experiment ist in knapp zwei Monaten unter der Federführung der staatlichen France-Télévision aus dem Boden gestampft worden. Die Idee dafür hatte Frankreichs Premierminister Edouard Balladur im Spätjahr dem Inhaber einer Medien-Agentur in Versaillers, Jean-Claude Ambrieu, abgeschaut. Ambrieu hatte jedoch einen permanenten Spartenkanal realisieren wollen (vgl. „Monsieur Balladurs großer Bluff“, taz vom 24.1.). Statt dessen hatte Balladur zum Jahreswechsel einen „Ideen-Appell“ verkünden lassen, der mit über 3.000 Einzelvorschlägen überaus große Resonanz gefunden hatte. 53 der Anregungen wurden im jetzigen Programm aufgegriffen, komplette Programm-Konzeptionen waren allerdings nicht gefragt.

„Télé-Emploi“ gilt als Testlauf für das von Balladur im Sommer letzten Jahres ebenfalls angekündigte Bildungsfernsehen. Der zunächst auf 25 Millionen Francs (7,5 Mio. DM) bemessene Etat für das Drei-Wochen-Programm war nach heftiger öffentlicher Kritik in letzter Minute um zehn auf 35 Millionen aufgestockt worden. Die Kosten tragen das Arbeits- und das Kommunikationsministerium. Das Luftfahrtunternehmen Aerospatiale, die Pariser Industrie- und Handelskammer und der Stromkonzern EDF steuerten als „Sponsoren“ runde zwölf Millionen Francs bei.

Vor allem der nationale Optimismus soll mit diesem Programmversuch gefördert werden – nach dem Motto „Arbeitslosigkeit ist nichts Unabänderliches“. Nachdem allerdings Blätter wie Libération monierten, das Intermezzo „Télé-Emploi“ diene lediglich dazu, aus der explosiven Krisensituation „Dampf abzulassen“, hatte selbst der Vorsitzende der Ideen- Auswahlkommission, Jean Boisonnat von der Bank für Frankreich, eingeräumt, „diese drei Fernsehwochen werden Frankreichs Beschäftigungsprobleme nicht lösen“. Das hätte uns – bei allem Glauben an die Macht der Medien – dann aber auch allzusehr erstaunt. Ulla Küspert