: Grüße aus Bad Wilhelmsburg
■ Großdemo gegen geplante Müllverbrennung in Süderelbe / Stillstand auf allen Brücken / “Wir lassen uns nichts gefallen“ Von Kai von Appen
„Wir haben uns alle freigenommen, denn wir dürfen ja nicht wenige sein, sonst lachen die sich da oben schlapp.“ Doch der Mitorganisator des Wilhelmsburger Bürgerprotestes brauchte sich keine Sorgen zu machen. Über 70 Fahrzeuge – zum Teil mit mehreren Personen besetzt – zählte allein der Konvoi, der sich am Abend aus Rothenburgsort in Richtung Wilhelmsburger Rathaus in Bewegung setzte.
Zeitgleich machten sich auch rund achtzig Fahrzeuge und drei Trecker auf der Köhlbrandbrücke auf den Weg. Von der Süderelbbrücke radelten 300 Menschen in die City: Auf insgesamt sieben Brücken machten gestern die Wilhelmsburger mit einem Sternmarsch mobil. Denn die Entscheidung über den Standort einer neuen Müllverbrennungsanlage soll in absehbarer Zeit von Senat gefällt werden (siehe unten).
Am Abend versammelten sich mehrere hundert Menschen vor dem Wilhelmsburger Rathaus, um ihrem Unmut Luft zu machen. „Giftberg, Affi, Raffis, und MVA – Bad Wilhelmsburg grüßt den Rest der Welt“ oder „Jetzt reicht's uns – keine Müllverbrennungsanlage“ und: „Wer 12 Prozent verliert, dennoch nicht kapiert = SPD“ und andere Slogans prangten auf den Transparenten.
Ein Sprecher des Jugendzentrums Kirchdorf machte auf der Kundgebung auf die sozialen Probleme im kleinen Stadtteil aufmerksam. Er forderte zur Solidarität auf: „Wir sind keine Deutschen oder Ausländer, wir sind Wilhelmsburger, wir lassen uns nichts gefallen“. Eine Mutter verdeutlichte, daß es für ihre Familie keinerlei Angebote gibt: „Wenn ich mit meinem Mann in ein Bistro will, muß ich nach Hamburg fahren. Und kulturelle Angebote gibt es sowieso nicht“. Sie forderte den Senat auf, eine sozialverträgliche Politik zu machen. „Ich will, daß meine Tochter später stolz ist, wenn sie sagt: ,Ich komme aus Wilhelmsburg'“.
Pastor Reinhard Henatsch appellierte ebenfalls an den Senat: „Wir bitten Sie, die MVA in Neuhof nicht zu bauen“. Er machte darauf aufmerksam, daß viele Bürger aus dem Stadtteil fortziehen: „Wir sehen mit großer Sorge, daß viele junge Wilhelmsburger die Elbinsel verlassen, weil sie sie nicht mehr für attraktiv halten.“ Zum Abschluß der Kundgebung stimmten die Versammelten in einen Chor ein, analog zum „Jetzt geht's los“ der St. Pauli-Fans, aber mit neuem Text: „Nicht mit uns“.
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