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Unterm Strich

Na, ausgeschlafen heute morgen? Müde? Gut gelaunt? Oder etwas muffig? Die Zeitung zwischen Nase und Erdnußbutterbrot hochzementiert, damit niemand zu früh nicht das Elend dahinter erblickt? Gestern vielleicht gesoffen, dabei irgendeinem RTL- Reporter vor die Flinte gerannt und heute früh dann den betrunkenen eigenen Körper im Frühstücks- Fernsehen bereits als „bizarre Schönheit der Nacht“ gesichtet, während dieses eine Häuflein Elendsfleisch sich jetzt eher wie Homer Simpson anfühlt? Wir sitzen, Sie merken es, schon mittendrin im Frühling- Schlamassel, zwischen lauter wohlig dahinschwebenden Kolleginnen in der von uns so gar überhaupt nicht geliebten Hauptstadt.

Aber allem aus der Galle heraufköchelnden Unmut zum Trotz – Sie da draußen im Überregionalen haben ein Recht auf mehr Informationen und sollen deshalb zumindest mal erfahren, was man hier in Berlin sonst noch alles haßt: Ganz weit oben auf der Liste steht am heutigen Montag morgen die Pest-Bombe, die laut BZ in russischen Labors hinter Jelzins Rücken entwickelt wird. Irgend ein Mensch mit dem Kürzel sad weiß auch, wie die Waffe hinter dem Rücken Jelzins funktioniert. Das Ding explodiert in der Luft und setzt Bio-Erreger frei, die dann vom Wind an Jelzin vorbei überm Zielgebiet verstreut werden. Irgendwie verschroben heimelig möchte auch das Titelbild einer strapstragenden zwanzigbeinigen Barocktruppe aus dem Friedrichstadt-Palast – Ruinenlandschaft, Ostcharme usw. – beim Spreizhupf zur Bio-Killermeldung passen, was den verantwortlichen Redakteur wenigstens zu einem wortakrobatischen Nachspiel auf Seite 42 verführt hat. Dort heißt so etwas dann mannstoll in Metaphern zurechtgebügelt: „Jetzt eröffnet: Das Tor zur Fantasie“.

Dabei haben die fünf Bundesländer auch Neues zu bieten. Peter Zadek hat seine Theaterresidenz beim Berliner Ensemble verlassen und tingelt über die Dörfer entlang der Nuthe-Wiesen der Mark Brandenburg. Während einer Rastpause hat er dort nämlich den Reiz des Verbotenen entdeckt, sprich: Landschänken und deren Festsäle, ganz im Stil der shakespearianischen Gründerzeit. Zadek sah die Marktlücke. Nun hat er Brechts Lehrstück „Der Jasager und Der Neinsager“ im „Gasthof Naase“ zu Gröben, Kreis Zossen, aufgeführt. Im Anschluß wurde mit den Leuten über den „dialektischen Lernprozeß“ diskutiert. Was für Erkenntnisse sich daraus haben gewinnen lassen? Vielleicht die, daß Schnaps Schnaps ist, so wie Revolution Revolution. Den Gröbenern hat das Theater jedenfalls gefallen, nur über die Auswahl war man sich scheint's uneins: „Können Sie nicht auch andere Sachen herbringen?“ meinte einer der Gäste beim Abschied. „Grundsätzlich ja“, antwortete darauf Zadek, wies aber auf die Schwierigkeiten hin, „die daran hängen“.

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