: USA entscheiden: Gib Niehaus keine Chance
■ Kolumbiens Präsident Gaviria zum neuen Generalsekretär der OAS gewählt
Managua (taz) – Das kleine Costa Rica wollte sich gegen die USA und die großen südamerikanischen Staaten durchsetzen, als am Sonntag der Nachfolger von Joao Clemente Baena Soares als Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gewählt wurde. Aber Kandidat Bernd Niehaus, der Außenminister Costa Ricas, konnte lediglich mit den Stimmen der Kleinstaaten Zentralamerikas und der Karibik rechnen, während Kolumbiens Präsident César Gaviria die USA, Kanada und die größten Länder des Subkontinents hinter sich hatte. So wurde Gaviria prompt im ersten Wahlgang mit 20:14 Stimmen als neuer Generalsekretär gewählt. Dabei hatten sich zunächst noch 22 der „Kleinen“ für Niehaus ausgesprochen – und der kritisiert nun vehement, daß die USA insbesondere die Karibikländer unter Druck gesetzt hätten.
Die älteste Regionalorganisation der Welt diente in ihrer 104jährigen Geschichte meist nur als Resonanzkörper für die Entscheidungen der USA. So brachen fast alle Regierungen die Beziehungen zu Kuba ab, als Präsident Kennedy 1961 das Castro-Regime unter Quarantäne stellte. Truppen der OAS waren dabei, als die USA 1965 in der Dominikanischen Republik einmarschierten, und keiner protestierte gegen die Serie von Staatsstreichen, die den Kontinent in den sechziger und siebziger Jahren erschütterten, weil die USA die Militärs für solidere Alliierte gegen die kubanische Revolution hielten. Wirklich schwer angeschlagen wurde das Prestige der Organisation jedoch, als die OAS 1982 keine gemeinsame amerikanische Antwort auf den Malvinenkrieg zwischen Großbritannien und Argentinien zustandebrachte.
Eine Wende in der OAS-Politik begann, als Jimmy Carter dem nicaraguanischen Diktator Somoza seine schützende Hand entzog. In ihrer Resolution von Caracas 1979 sprach sich die OAS erstmals für den Rücktritt eines Staatsoberhauptes der Region aus und gab ein Votum für die nicaraguanische Opposition ab. Kurz nach dem Sturz Somozas gerieten der Reihe nach alle Militärregierungen ins Wanken. In diesem hoffnungsvollen Klima beschloß die OAS- Generalversammlung 1985 in Cartagena, daß die Demokratie „unentbehrlich für die Stabilität, den Frieden und die Entwicklung der Region“ sei. Und auf der Generalversammlung von Santiago 1991, an der kein einziger Diktator mehr teilnahm, verschrieb sich die Organisation eine aktivere Rolle „für den Fall einer Unterbrechung oder eines irregulären Verlaufs des institutionellen demokratischen Prozesses in jedwedem Mitgliedsstaat“. Maßnahmen, die zum Schutz der Demokratie ergriffen werden könnten, enthält das Dokument allerdings nicht. Wenige Monate vorher waren die USA in Panama einmarschiert, ohne daß die OAS auch nur einen kollektiven Protest formuliert hätte.
Nach der Demokratisierungswelle der achtziger Jahre scheinen Wirtschaftskrise und Enttäuschung über die Zivilregierungen einer Rückkehr zu autoritären Regimes den Weg zu ebnen. In Venezuela, einer der ältesten Demokratien des Kontinents, meinten im Vorjahr 70 Prozent der Bevölkerung, ihre Regierung sei schlecht oder sehr schlecht. Und während der Putschversuche der Armee im Februar und November 1992 jubelte das Volk den Rebellen zu und nicht den loyalen Truppen. An den jüngsten Wahlen in El Salvador beteiligten sich nur knapp über 50 Prozent der Wähler, in Kolumbien gar unter vierzig.
Die Aussichten für eine demokratische Entwicklung sind nicht rosig, wenn der Brasilianer Baena Soares sein Amt abgibt. Sein Nachfolger wird die eingeschlafene Diskussion über eine gemeinsame interamerikanischen Streitmacht zur Durchsetzung der Demokratie wiederbeleben oder beerdigen müssen. Außerdem muß er klären, ob Kuba, dessen Mitgliedschaft seit 1961 suspendiert ist, wieder in den Schoß der Regionalgemeinschaft zurückkehren darf. Bernd Niehaus hatte sich für das Ende der Sanktionen gegen den Karibikstaat ausgesprochen, César Gaviria wird sich dafür kaum stark machen. Kein Wunder, daß die USA den Kolumbianer vorzogen. Ralf Leonhard
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