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„Väterliches Verhältnis“

■ Eisverkäufer wegen sexuellen Mißbrauchs von Jungen angeklagt

Der unscheinbare Eisverkäufer Wolfgang B. gibt sich unschuldig. Zu Oliver habe er lediglich ein „väterliches Verhältnis“ gehabt, habe ihm bei Hausaufgaben geholfen. Dem Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs weist der 52jährige von sich. „Nur das mit den Fotos stimmt“, räumt der Angeklagte ein: „Wie das passieren konnte, habe ich bis heute nicht kapiert“. Für den Staatsanwalt sind das Schutzbehauptungen.

B. wird zu Last gelegt, den 12 Jahre alten Rüdiger 1993 in seine Wohnung mitgenommen zu sexuellen Handlungen veranlaßt zu haben. Mit Oliver (12) soll es vorigen Sommer über einen längeren Zeitraum hinweg im Eiswagen zum Oralverkehr und zu Handlungen „bis zum Samenerguß“ gekommen sein.

Nur wenige Tage bevor diese Serie begonnen haben soll, war B. wegen ähnlicher Delikte vom Amtsgericht zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Damals ging es um den Mißbrauch von vier Kindern. B. hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, momentan wird über die Jungen ein Glaubwürdigkeitsgutachten erstellt. B. beteuert: „Ich habe keine Ambitionen zu kleinen Jungen oder Mädchen“.

Doch die Indizien sprechen gegen ihn. B.s Haushälterin Ingeborg W.: „Ich habe anfangs auf das Gerede nicht viel gegeben. Doch dann fand ich die Kamera und die Bilder und bin zur Polizei. Das hatte mit Rufmord nichts mehr zu tun“. Gegenüber Olivers Eltern, wo sich B. als „Horst Hoffmann“ ausgab, und der Polizei hatte sich B. mehrfach merkwürdig verhalten. Die FahnderInnen der Dienststelle für Sexualdelikte waren von Anwohnern alarmiert worden.

Obwohl die Beamten Oliver auf dem Balkon des Angeklagten gesehen hatten, leugnete B. bei seiner Festnahme am 7. Oktober 1993 zunächst die Anwesenheit des Jungen. Fahnderin Anke E.: „Aufgrund der Wahrnehmungen haben wir uns entschlossen, die Wohnung zu durchsuchen und haben den Jungen im Bettkasten gefunden“. Die Angaben Olivers über die sexuellen Handlungen hält sie für glaubwürdig. Sie glaubt nicht, daß der Junge B. ohne Motiv belasten wolle. Anke E.: „Meine subjektive Empfindung war, daß Oliver Herrn B. sehr gern mag“. Der Prozeß wird fortgesetzt. Kai von Appen

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