piwik no script img

„Wir müssen erst die Toten begraben“

Nach dem Massaker in Johannesburg herrscht in Südafrika Ratlosigkeit / Deutscher Vermittler reist unverrichteter Dinge ab / Zulu-König will erst nach Ostern verhandeln  ■ Aus Johannesburg Willi Germund

Zulu-König Goodwill Zwelethini weigert sich, vor Ostern an einer Gipfelrunde mit Südafrikas Staatspräsident Frederik W. de Klerk und ANC-Präsident Nelson Mandela teilzunehmen. Die Begründung des Monarchen: „Wir müssen erst die Toten begraben.“

Damit ist die Chance, das politische Klima in Südafrika nach den gewaltsamen Zusammenstößen in der Wirtschaftsmetropole Johannesburg schnell zu beruhigen, nicht nur gesunken, sondern auch die Gefahr einer weiteren Zuspitzung gestiegen. Alle politischen Entscheidungen des Königs werden vorher von seinem Neffen Mangosuthu Buthelezi, dem Vorsitzenden der konservativen Bewegung Inkatha und dem Chief Minister im Schwarzenreservat KwaZulu, abgesegnet.

Nach neuesten Polizeiangaben kamen bei dem Massaker 51 Menschen ums Leben, über 300 wurden verletzt, als am Montag rund 40.000 schwerbewaffnete Inkatha- Demonstranten durch die Straßen von Johannesburg und Soweto zogen. Bisher ist nicht klar, wer die Heckenschützen waren, die von Gebäuden auf die Demonstranten schossen. Buthelezi hatte erst vor einer Woche in einer Rede vor Johannesburger Geschäftsleuten erklärt: „Sie irren sich, wenn sie de Klerks Versicherungen glauben, daß es hier Stabilität geben wird, ohne eine politische Lösung mit uns zu finden.“ Seit Montag dürften nun die letzten Zweifel ausgeräumt sein, daß der Inkatha-Chef es ernst meinte. „Der Konflikt, der in der Provinz Natal bisher Hunderte von Toten kostete, fand plötzlich vor den Bürotüren der Wirtschaft statt“, meinte ein ausländischer Diplomat.

Buthelezi will die Wahlen boykottieren und verlangt, daß seine Forderungen nach stärkeren Befugnissen für Regionalregierungen abgesichert und die Wahlen um zwei bis drei Monate verschoben werden. „Das Problem kann in drei bis vier Tagen gelöst werden“, erklärte der Asienexperte Professor Paul Kevenhörster von der Universität Münster gegenüber dieser Zeitung. Über die CDU- nahe Konrad-Adenauer-Stiftung wurde er für Inkatha in die Gruppe internationaler Vermittler berufen, die die Probleme zwischen der konservativen Gruppierung und dem ANC lösen sollen.

Aber der Professor reist heute unverrichteter Dinge wieder ab. Henry Kissinger und der Brite Lord Carrington, die die Kommission eigentlich leiten sollen, sind in der kommenden Woche unabkömmlich. Die Vermittlung, von Buthelezi und Mandela bei ihrer letzten Begegnung vereinbart, soll jetzt frühestens am 11. April beginnen. Kevenhörster gibt zu: „Die Zeit läuft davon.“

Eine Verschiebung der Wahlen wird sowohl von Südafrikas Regierung wie auch vom ANC abgelehnt. Die Erfüllung der Inkatha- Forderung nach einer fast autonomen Zulu-Monarchie in der Provinz Natal scheint auch ausgeschlossen, weil dann auch weiße Reformgegner einen eigenen „Volkstaat“ verlangen könnten.

Die Ereignisse vom Montag zeigen aber auch, daß Südafrikas Polizei ihren eigenen Kurs verfolgt, seit die Verwicklung von Polizeigenerälen in Waffenschiebereien und Mordkampagnen mit Inkatha von der Goldstone-Kommission enthüllt wurde. Moe Shaik, ANC- Vertreter im Geheimdienstausschuß des Übergangsrats meint: „Der Bericht hat die Polizeigeneräle noch weiter vom Demokratiesierungsprozeß entfernt.“ Offenbar so sehr, daß am Montag während der Inkatha-Demonstration nicht einmal das ANC-Hauptquartier abgesperrt wurde. Eine Entsendung von Streitkräften nach KwaZulu würde ebenso wie eine Absetzung von Buthelezi das politische Klima weiter anheizen. Denn der Inkatha-Chef gebietet über eine beträchtliche Anhängerschaft und kann auch in Johannesburg für Unruhe sorgen.

Johann Kriegler, der Leiter der unabhängigen Wahlkommission, glaubte am Dienstag dennoch voller Zuversicht: „Die Ereignisse werden die freien und allgemeinen Wahlen nicht direkt beinträchtigen.“ Es gibt derzeit nur wenige Optimisten wie Kriegler in Südafrika.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen