piwik no script img

Ein Fest des Friedens

Der Karlsruher SC und Austria Salzburg tun sich im Semifinale des UEFA-Cups nichts zuleide: 0:0  ■ Aus Wien Wenzel Müller

Dritte Minute: Martin Amerhauser kommt nach seinem Rempler durch den Karlsruher Metz zu Fall. Kein spektakuläres Foul, aber augenblicklich hebt ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert im Wiener Ernst-Happel-Stadion an. Bald frenetischer Jubel, als die Salzburger erstmals in den gegnerischen Strafraum vordringen. Die Aktion bleibt harmlos, doch sie wird gefeiert, als sei gerade ein Tor gefallen.

Es steckt Leidenschaft drin, im Halb-Hinspiel des UEFA-Cups zwischen dem Karlsruher SC und Austria Salzburg. Die Zuschauer, kurz vor Spielbeginn rockig eingestimmt durch die Gruppe „Opus“, sind ganz bei der Sache. Nicht viel anders kann die Stimmung im Barceloner Nou-Camp-Stadion sein, wenn es gegen den Erzrivalen aus Madrid geht.

Sicher, Inter Mailand wäre für die Salzburger auch ein attraktiver Gegner gewesen, doch attraktiver ist allemal einer aus Deutschland. Egal, welcher Verein. Denn gegen den großen Nachbarn im Norden sind die Österreicher immer besonders motiviert. Das ewige Duell: David gegen Goliath.

Alle lokalen Rivalitäten waren wie auf einen Schlag vergessen, plötzlich gab es nur noch Österreicher. Ohne größeres Murren nahmen es die Salzburger Fans hin, daß sie zu dem Match ihrer Mannschaft selbst nach Wien anreisen mußten. Alle Karten waren so schnell weg, daß der Vergleich mit den warmen Semmeln fast zuungunsten der warmen Semmeln ausfällt.

Viel wurde im Vorfeld über das Spiel geschrieben, gar ein „Krieg“ prophezeit. Doch der blieb aus. Dieses Verdienst können die Spieler vor allem sich selbst zuschreiben. Denn was die boten, war bestens dazu angetan, umgehend alle Emotionen aus dem Spiel zu nehmen. Gleichsam beruhigend auf die Zuschauer einzuwirken.

Das Match: Ein einziges Gebolze, gerade so, wie auch wir samstags nebenan auf der Praterwiese nach dem Ball zu treten pflegen. Das Leder wurde immer wieder nur irgendwie nach vorne gehauen. Schwungvolle Kombinationen blieben ganz aus. Und kam eine Mannschaft mal bis vor das gegnerische Tor, wurde die Chance umgehend konsequent verwurschtelt.

Symptomatisch, daß sich die einzig nennenswerte gute Situation für die Karlsruher aus einem blinden Schlag eines Verteidigers nach vorne beziehungsweise in die Höhe ergab. Urplötzlich entpuppte sich nämlich jener als ideale Vorlage für Sergej Kirjakow. Auf einmal fand sich der Karlsruher Stürmer mit dem Ball allein vor Torhüter Otto Konrad. War darüber aber selbst so sehr überrascht, daß er ganz vergaß, das Ding einfach reinzusetzen.

KSC-Coach Winfried Schäfer führte seine bekannten Veitstänze an der Außenlinie auf. Sein Salzburger Kollege Otto Baric, wegen Spuckens gegen Frankfurt auf die Zuschauertribüne verbannt, gab laufend Order per Telefon an seinen Assistenten auf der Betreuerbank durch. Beide Trainer können ihre Jungs nur ermuntert haben: Prima! Macht weiter so! Denn das Spiel änderte sich bis zum Schlußpfiff nicht, gewann niemals an Farbe. Wacker wurde gekämpft, aber das Publikum verlor zusehends das Interesse. Kein Schwarzer in den Karlsruher Reihen, an dem es, wie beim Match gegen Frankfurt, all seinen Piefke-Unmut hätte abladen können. Auch am Schiedsrichter konnte es sein Gemüt nicht weiter erhitzen, denn Herr Vassilios Nikakis machte seine Sache ordentlich.

Am Ende Friede, Freude, Eierkuchen. 0:0. Keiner tat dem anderen etwas zuleide. Ein Fest der deutsch-österreichischen Verbrüderung. Beide Trainer zeigten sich erfreut über das Resultat. Beim Rückspiel in zwei Wochen soll aber alles wieder anders werden. Schäfer hat „absolute Offensive“ angekündigt. Baric, der längst in Salzburg irgendwo zwischen Mozart und Karajan einen Ehrenplatz hat, freut sich schon auf die „schnellen Kontervorstöße“ seiner Mannschaft.

Karlsruher SC: Kahn - Wittwer - Metz, Schuster - Schmidt, Schütterle, Nowotny, Schmarow (53. Klinge), Bonan - Kirjakow, Krieg

Zuschauer: 46.700

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen