: Schweine und Presse
■ Schlachthof versichert : Kein pestverseuchtes Borstenvieh
Was haben Hamburger Pressevertreter mit Schweinen aus Niedersachsen gemein? Der Geschäftsführer der Hamburger Schlachtbetriebe, Reinhard Annuss, weiß die Antwort. Für beide gilt: Zutritt zum Schlachthof verboten - Journalisten und infizierte Schweine müssen draußen bleiben.
Zumindest für die Medien funktioniert die Zugangssperre perfekt. Das Gelände ist abgeriegelt, es gibt kein Durchkommen. Haben die Schlächter etwas zu verbergen? Landet vielleicht doch das ein oder andere pestverseuchte Borstenvieh am Fleischerhaken im Schlachthof?
Solche Vermutungen werden allseits bestritten: „Sollten Schweinetransporte aus Niedersachsen ankommen, werden sie vor den Toren des Schlachthofs abgewiesen. Das ist allerdings noch nicht vorgekommen und wird wohl auch nicht vorkommen,“ versichert Veterinärdirektor Dr. Uwe Feider gegenüber der taz. Allerdings gibt er offen zu, daß in der Vergangenheit „wirklich viel geschmuggelt und zu wenig kontrolliert wurde.“ Deshalb begrüße er die von der Europäischen Union verhängte Handelssperre für Borstenvieh aus den von der Schweinepest infizierten Mästereien in Niedersachsen.
Was also ist dann der Grund für die Aussperrung der Medien? Wiederum kann Annuss Auskunft geben: „Wir haben in Hamburg mit der Presse schlechte Erfahrungen gemacht.“ Wenn über den Schlachthof berichtet worden sei, dann nicht objektiv, sondern aufreißerisch und negativ. „Deshalb hat die Betreibergesellschaft beschlossen, ein generelles Zutrittsverbot für Medienvertreter zu verhängen.“
Im übrigen „tut dem Schlachthof die Handelssperre nicht weh“, beruhigt Herr Annuss. Schon vor dieser EU-Maßnahme seien von den 3- bis 4000 Schweinen, die wöchentlich geschlachtet werden, nur etwa 700 aus Niedersachsen gekommen, bestätigt Dr. Feider. Der Ausfall bedeutet für den Schlachthof einen Verlust von rund 15 Prozent.
Kontrolliert werden derzeit nicht nur die Mastbetriebe, sondern auch die Viehtransporte auf den Autobahnen. Dr. Feider hält diese Kontrollen für ausreichend. Die Hamburger Metzger sehen das anders. „Meine Kollegen beziehen ihr Fleisch verstärkt direkt vom Mäster, nur so wissen wir ganz genau, wo das Fleisch herkommt,“ erklärt der Obermeister der Hamburger Fleischerinnung, Kurt Torna. Dabei unterstelle er dem Schlachthof keine böse Absicht, aber bei der Menge, die dort täglich verarbeitet werde, sei es nicht mehr möglich, den Herkunftsort jeder einzelnen Schweinehälfte zu bestimmen. Das sei ähnlich schwierig, wie in einer Menge von Demonstranten einen Steinewerfer zu orten.
Den skeptischen Metzgern gibt ein vor wenigen Tagen unternommener Versuch eines Fernsehteams des Norddeutschen Rundfunks recht: Mit einem Transporter voller Plastikschweine im Schlepptau waren die Reporter zwischen den Bundesländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen hin- und hergependelt - ohne auch nur einmal in eine Kontrolle zu geraten.
Andrea Hösch
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